„Eher wird Österreich Fußball-Weltmeister...“

Die düsteren Prognosen des letzten deutschen Alpin-Weltmeisters. Hermann Maier ist für ihn ein Punker, Felix Neureuther tut ihm leid, und statt auf die Streif geht er jetzt lieber auf Streife
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Bei seinem WM-Sieg vor 20 Jahren gefeiert: Hansjörg Tauscher.
Perenyi/Augenklick Bei seinem WM-Sieg vor 20 Jahren gefeiert: Hansjörg Tauscher.

Die düsteren Prognosen des letzten deutschen Alpin-Weltmeisters. Hermann Maier ist für ihn ein Punker, Felix Neureuther tut ihm leid, und statt auf die Streif geht er jetzt lieber auf Streife

AZ: Herr Tauscher, ist ja ziemlich schwer, Sie zu erreichen. Waren Sie gerade mal wieder auf Streife?

HANSJÖRG TAUSCHER: Ja, ich komme eben zurück auf die Dienststelle. Wir hatten einen Einsatz, aber bitte haben Sie Verständnis, dass ich darüber nicht sprechen darf.

Es geht ja auch weniger um Ihren Beruf als Polizeihauptmeister als viel mehr um Vail 1989.

Dachte ich mir. 20 Jahre ist das wieder her, mein Gott. Immerhin war ich erst 21, deswegen muss ich jetzt nicht als Vollgrufti über die Zeit damals reden. Aber die Erinnerungen sind noch da, als wäre es gestern gewesen.

Dann erzählen Sie doch.

Gern. Im Training war der Klaus Gattermann Schnellster, im Rennen kam meine Stunde. Vor allem im Rattle-snake-Corner, dieser kurvenartigen Bobbahn, die der Bernhard Russi in die Strecke eingebaut hat. Da bin ich durch wie kein anderer. Kurventechnisch war ich zu der Zeit eh der Stärkste. Ich war ein Zocker. Ich hatte die richtige Coolness. Aber so richtig glauben habe ich es auch erst einmal nicht können. Daheim auch nicht, da haben meine Eltern in der winzig kleinen Wohnung mit den ganzen Freunden und Verwandten gefeiert. Wissen Sie noch, welcher Tag das war?

Ja, der 6. Februar.

Rosenmontag war es, und in Deutschland war es schon Abend, da waren die eh schon alle beim Feiern.

Zu feiern gab es danach nichts mehr für Sie. Der WM-Triumph blieb Ihr einziger Sieg, im Weltcup gewannen Sie nie. Oft hieß es, ach, der Tauscher, das war nur eine Eintagsfliege.

Geärgert hat mich das nie. Das zeugte nur von der Unwissenheit der Leute. Ich war sicher kein Seriensieger, aber denken sie nur an Olympia ’92. Da hatte ich oben einen saudummen Fehler und am Ende nur eine Sekunde Rückstand auf Olympiasieger Patrick Ortlieb und bin Siebter geworden. Ich finde, das hat mein WM-Gold doch noch einmal aufgewertet. Ich hatte es sicher leicht, weil 1989 keiner was von mir erwartet hatte, und weil Colorado weit weg war vom Allgäu. Aber letztendlich war es doch die Erfüllung meines amerikanischen Traums.

Einen Albtraum erlebten nach Ihnen – mit Ausnahmen – die deutschen Ski-Männer. Und schon Sie prophezeiten einst, Sie seien wohl für 20 Jahre der letzte deutsche Weltmeister. Ahnten Sie schon das Schlimmste?

Gut, wir hatten ja noch den Wasi (Markus Wasmeier, d. Red.), der 1994 Doppel-Olympiasieger wurde, der war ein noch viel wilderer Hund als ich, der hat’s noch viel brutaler krachen lassen. Und dann wäre ich mit meiner Aussage fast noch baden gegangen, als der Flori Eckert 2001 in St. Anton Dritter wurde. Aus dem hätte was werden können.

Dann verletzte er sich und beendete die Karriere. Jetzt wird es als Erfolg gefeiert, wenn ein deutscher Abfahrer unter die besten 20 kommt.

Ganz ganz traurig. Da kommt nichts nach. Wir haben keine Heroes. Keinen Hermann Maier. Der hat zwar den Zeitpunkt des Aufhörens auch verpasst, aber der ist für mich immer noch ein eiskalter Punk. Wie der nach seinem Motorrad-Unfall wieder Rennen gewann, ich sag mal, mit einem gesunden Bein und einem Holzbein, das ist schon gewaltig. Bei uns gibt es solche Kämpfer nicht, und eines sage ich Ihnen: Bevor ein deutscher Skifahrer WM-Gold in der Abfahrt holt, wird Österreich Fußball-Weltmeister. Das dürfen Sie auch ruhig so schreiben.

Tun wir. Aber woran liegt die Misere bei uns, wir haben doch auch Berge wie die Österreicher und Schweizer?

Es ist jetzt einfach der Preis für das Versagen der letzten 15 Jahre.

Wessen Versagen. Dem des Skiverbands in der Nachwuchsarbeit?

Ach, lassen wir das. Ich mag da gar nicht viel dazu sagen.

Sie waren ja selbst einmal Jugendtrainer beim DSV.

Unter mir ist auch ein Stefan Kogler Junioren-Weltmeister geworden. Im Slalom. Und jetzt stagniert der Stefan. Das soll nicht arrogant oder überheblich klingen, es ist nur so.

Warum hörten Sie auf?

Sagen wir es so, der Verband und ich waren unterschiedlicher Auffassung. Ich lasse es mal so stehen.

Sehen Sie denn überhaupt noch einen künftigen deutschen Weltmeister, wenn schon nicht in der Abfahrt?

Ja, den Felix Neureuther. Sonst keinen. Der wird einmal Slalom-Weltmeister. Er tut mir nur manchmal leid, weil der ganze Druck auf seinen Schultern lastet. Weil er die einzige Hoffnung ist.

Auch weil er der Sohn berühmter Ski-Eltern ist.

Er steckt das gut weg. Ich würde sagen, er ist ein Mischnaturell aus Gemütsmensch Rosi Mittermaier und Geschäftsmann Christian Neureuther. Auch wenn er sich gerade schwer tut, er packt das. Ist einfach sehr viel, was auf den Burschen einprasselt. Aber da haben sich auch die Umstände verändert.

Würden Sie heute noch gerne fahren?

Manchmal nicht. Wenn ich sehe, dass die Läufer doch sehr viel Blödsinn mitmachen müssen. Die Sportler müssen sich heute prostituieren, verkaufen, sie müssen sich gut stellen mit den Sponsoren, dem Verband, den Journalisten. Ich bin gefahren, weil ich den Sport geliebt habe. Nein, ich hatte eine schöne Zeit, heute brauche ich das nicht mehr. Und als ich mir den Sturz von Daniel Albrecht in Kitzbühel anschaute, dachte ich mir, bevor ich mich nochmal die Streif runterstürze, bleibe ich lieber Inspektionsbeamter bei der Polizeiinspektion Oberstdorf.

Vermieter von Ferienwohnungen sind Sie auch – und obendrein zweifacher Vater.

Ja, mit meiner Partnerin Margit habe ich die Anna, die ist sieben. Und der Felix ist fünf.

Felix? Wie der Neureuther?

Ja. Ich habe die Rosi und den Christian damals schon vorgewarnt, das hatte aber nichts mit ihrem Filius zu tun. Einfach weil uns der Name gefiel. Felix Leopold. Jetzt sind wir zu viert daheim, und weil wir die Räume selbst brauchen, haben wir nur noch zwei Ferienwohnungen zu vermieten. Wissen Sie übrigens, wie die beiden Wohnungen heißen?

Sagen Sie es bitte.

Vail und Colorado.

Interview: Florian Kinast

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