Titelschwur beim EHC Red Bull München

„Nur die, die vor der Meisterschaft Angst haben, reden nicht darüber“; sagt Trainer Pagé. Was er von seinen Spielern fordert, wie er das große Ziel anpackt – und was Einstein damit zu tun hat.
München - Es gibt so Bilder, die haben einen enormen Symbolcharakter. Pierre Pagé, der neue Trainer des EHC Red Bull München, saß im neugestalteten VIP-Raum, hinter ihm eine riesige Glasscheibe, auf die ein monströser, anstürmender Bulle, das Logo des neuen Eigentümers, gepinselt war. Die Hörner des Paarhufers umrandeten genau das Haupt Pagés und verliehen ihm eine animalisch-diabolische Aura.
Der 65-Jährige will die Eishockeywelt auf die Hörner nehmen. Tiefstapelei, Genügsamkeit – sind nicht das Seine. So legte er vor dem Auftakt in die neue DEL-Saison am Freitag (19.30 Uhr) in der Olympiaeishalle gegen die Hamburg Freezers los. „Viele wagen es nicht, von der Meisterschaft zu reden. Ich sage: Nur die, die vor der Meisterschaft Angst haben, reden nicht darüber. Wir haben keine Angst. Es ist realistisch, dies in drei Jahren zu verwirklichen. Aber es kann schon im ersten Jahr passieren. Das ist das erste Kapitel von etwas Großem“, verkündete Pagé eine Art Meister-Schwur, „ich werde nie die Playoffs als Ziel ausgeben. Was soll das für ein Ziel sein?“
Es war jahrelang das Maximalziel des EHC. Eine Vorgabe, an der man aber in den letzten zwei Jahren gescheitert war. Damals hatte man den kleinsten Etat der Liga, jetzt gehört man mit geschätzten fünf Millionen zu den Granden der Liga. „Wir gehören beim Etat sicher oben mit dazu“, sagt Manager Christian Winkler, „wir sind in einer neuen Ära, einer neuer Dimension, einer neuen Zeitrechnung!“ Und Neuzugang Alexander Barta meint: „Ehrlich gesagt: Ich wäre zum alten EHC wahrscheinlich nicht gewechselt. Jetzt, mit den neuen Ansprüchen, passt das.“
Doch Pagé will nicht nur Titel holen, er will nebenbei den Sport revolutionieren. Mit einem neuen Spielsystem (vier der fünf Feldspieler sollen im Angriffsdrittel ihr individuelles Können ohne große taktische Zwänge ausleben). „Ich hasse den Status Quo. Der heißt nicht Stillstand, sondern Rückschritt. Man muss im Kopf verrückt und jung bleiben. Nicht umsonst waren alle großen Entdecker – Einstein inklusive – jünger als 25, als sie ihre Erfindungen oder Entdeckungen machten. Warum? Weil man sich in dem Alter nicht um Regeln, Bürokratie, die Meinung anderer schert. So sind auch wir“, sagt Pagé, „ich bin nicht damit zufrieden, wenn Barta einfach nur Barta ist. Ich erwarte, dass er Barta ist plus, plus, plus. Jeder von uns muss aus seiner Komfortzone raus. Jeder muss, wenn er aufsteht, sagen: Ich will es besser machen als gestern. Viele fragen: Warum? Die Antwort? Weil wir in München sind! Der Stadt der Champions!“
Mit dieser Einstellung kam Pagé 2002 zu den Eisbären, die noch nie einen Titel geholt hatten. Multimilliardär Philipp F. Anschutz war als Investor eingestiegen. Eine Situation, die Pagé frappierend an München im Jahre 2013 mit Red Bull erinnert. „Anschutz denkt viel größer als die Meisten. Und Didi Mateschitz hat bei Red Bull das Anderssein zum Credo erhoben“, sagt Pagé. In Berlin brauchte er drei Jahre, um den Titel zu holen. „Eishockey in München wurde von Winkler und Pat Cortina mit toller Arbeit am Leben erhalten. Jetzt werden wir etwas draufsetzen. München war schon 1922 Eishockey-Meister. Es ist Zeit, diese Glorie wiederzubeleben.“ Worte so groß, dass sie Manifest, Bürde und Maßstab zugleich sind.
Der Bulle muss von Anfang an seine Hörner zeigen, sonst sind die Worte nur Bullshit.