"So ausgerastet bin ich noch nie"
AZ: Herr Winkler, die Deutschland-Cup-Pause ist vorbei, jetzt steht am Freitag das bayerische Derby gegen Ingolstadt an – ohne Noah Clarke. Für den Stürmer ist die Saison nach einer Schulterverletzung beendet.
CHRISTIAN WINKLER: Ingolstadt gehört zusammen mit Berlin, Mannheim und Hamburg zu den großen Vier der DEL. Das wird eine absolute Herkulesaufgabe für uns, keine Frage. Dass Clarke auch noch operiert werden muss, macht es nicht leichter. Aber man muss zugeben, es war für beide Seiten das Beste. Er musste seit Saisonbeginn mit Schmerzen spielen und konnte so seine Leistungsfähigkeit nicht abrufen. Dadurch war er im Zweikampf schwach. Ich bin jetzt auf der Suche nach einem Ersatz, aber das ist schwer. Mitten in der Saison kriegt man keinen, bei dem alles stimmt. Von den Kandidaten sind auch gleich zwei mit Pauken und Trompeten durchgerasselt. Beim einen passte der Charakter nicht, beim anderen die Arbeitseinstellung.
Die stimmte auch beim EHC in dieser Saison nicht immer. Sie stimmte so wenig, dass Sie nach dem Fiasko-Auftritt gegen Straubing einen Wutausbruch hinlegten, den die Spieler schon als „legendär“ einstufen.
Da haben Sie recht. Ich denke, so ausgerastet bin ich noch nie in einer Kabine. Es hat sich viel aufgestaut und das habe ich alles rausgelassen. Und kaum, dass ich draußen war, sind mir noch ein paar Sachen eingefallen. Ich habe dann kurz überlegt, ob ich nochmal reingehe und nachlege, aber dann habe ich mir gedacht: Das wäre dann doch zu krass.
Wie sehr war Ihr Wüterich-Auftritt mit Trainer Pat Cortina abgestimmt?
Er hat mir angesehen, wie sehr es in mir brodelt, und dann hat er mir Starterlaubnis gegeben. Die Kabine ist sein Reich, da polter’ ich nicht ohne Zustimmung los. Wir waren uns einig, dass es eine Situation ist, in der die Kopfwäsche nicht nur vom Trainer, sondern von einem nominellen Boss kommen muss.
Nach unseren Informationen standen Sie kurz davor, einen Spieler rauszuwerfen.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Cortina und ich nicht über diese Maßnahme gesprochen haben. Aber wir haben uns dagegen entscheiden, denn das wäre zu einfach, einen an den Pranger zu stellen. Da kann man sich brüsten, der Stammtisch würde einem auf die Schulter klopfen, aber das Problem ist damit nicht aus der Welt geschafft und es entspricht nicht unserer Philosophie. Wir wollen die, die vielleicht vom EHC-Weg abgekommen sind, wieder auf den rechten Weg führen. Deswegen habe ich vor der Pause die letzten vier Spiele auch zur Identitätsfrage erhoben. Drei davon haben die Jungs mit Bravour gemeistert.
Es lief sportlich nicht wie gewünscht, die Fans konnten sich mit den laxen Auftritten der Truppe nicht identifizieren, beim EHC brodelte es.
Es gab Momente in dieser Saison, das muss ich zugeben, da dachte ich mir, jetzt müssen wir eine Vollbremsung hinlegen. Ich will nicht von Angst reden, aber es war eine Herausforderung. Der Funke sprang nicht vom Team auf die Fans über – und auch nicht von denen auf die Mannschaft. Das hat sich erst mit dem Sieg über die Berliner geändert. Da haben wir wieder das Publikum begeistert und das wiederum gab uns die Energie, über uns hinauszuwachsen. Wir müssen alle wieder dahin kommen, wo wir vergangene Saison waren. Da haben uns die Fans so nach vorne gepeitscht, dass die Spieler gar nicht anders konnten, als alle Kräfte zu mobilisieren. Das hat uns viele Punkte gebracht. Und das hat uns jetzt bisher gefehlt, dass wir mit unserem Spiel die Fans zum entscheidenden Faktor machen.
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