Patrick Ehelechner im AZ-Interview: "Der Weihnachtsbaum brennt bei den Red Bulls"

AZ: Herr Ehelechner, die Konkurrenz wundert sich angesichts dessen, was der EHC Red Bull München, der ja sensationell im Halbfinale der Champions Hockey League steht, in der Liga abliefert. Die 1:3-Pleite bei den Nürnberg Ice Tigers war die vierte Niederlage in Serie, die siebte in den vergangenen acht DEL-Spielen. Haben Sie als Experte des übertragenden Senders MagentaSport eine Erklärung dafür?
PATRICK EHELECHNER: Es ist wirklich sehr erstaunlich, was da gerade abgeht. In Nürnberg, wo ich live kommentiert habe, hätte der EHC noch weitere 60 Minuten spielen können und sie hätten nicht gewonnen. Vier Niederlagen hintereinander kennt man von München nicht. Gefühlt verlieren sie mal ein Spiel, sind dann aber sofort wieder in der Erfolgsspur. Aber im Moment bringen sie in der DEL kein Red-Bull-Eishockey aufs Eis. In Nürnberg waren sie immer diesen berühmten Schritt zu spät. Die Red Bulls haben definitiv andere Ansprüche als das, was sie gerade abliefern. Was speziell auffällt, ist, wie oft die Münchner kräftig in Rückstand geraten. 0:3 gegen Düsseldorf, 0:3 gegen Nürnberg. Früher haben sie solche Spiele vielleicht noch drehen und gewinnen können - im Moment eben nicht.

Diskrepanz zwischen DEL und Champions League
Gleichzeitig schaffen sie es in der Champions Hockey League aber Topleistungen abzurufen und gehören jetzt zu den vier besten Teams in Europa...
Da hat man wieder die wahren Roten Bullen gesehen. Sie haben es nicht verlernt, sie zeigen es nur in der DEL zur Zeit nicht. Auch wenn einige Spieler verletzt sind, es sind ja immer noch großartige Akteure, die auf dem Eis stehen. Und über Ausfälle zu jammern, ist sicher nicht der Anspruch, den die Red Bulls an sich selber haben.
EHC-Coach Don Jackson sprach davon, dass die Mannschaft in den großen Partien dem Spiel den nötigen Respekt entgegenbringen würde. Das heißt, im Liga-Alltag tun die Spieler es nicht. Also mangelt es an der Einstellung?
Vielleicht sind es zu viel Spiele, zu wenig Regeneration, aber ganz sicher ist es auch eine Einstellungssache, wenn man in den Partien gegen Rauman oder Tampere Topleistung bringt, es aber im grauen Liga-Alltag gegen die Bietigheims und Straubings - und das ist keine Kritik an diesen Teams - diese ein, zwei, drei Prozent weniger abruft, als in den Highlights. Das ist ja auch die Faszination des FC Bayern, dass der es schafft, am einen Tag gegen den FC Barcelona, Real Madrid oder Chelsea zu spielen und voll da ist, aber im Normalfall zwei Tage später gegen Bochum und Fürth eben auch Leistung zeigt.
Sind die Führungsspieler in solchen Krisen, wo es insbesondere um die Einstellung geht, besonders gefragt?
Ganz sicher. Ich finde auch, dass man gerade beim Spiel in Nürnberg gesehen hat, dass ein Spieler wie der Kapitän Patrick Hager...
Ein falsches Zeichen von Maximilian Kastner
Das personifizierte Gifthaferl, das verletzt ausfällt.
Genau. So einer geht ab. Er ist nicht der Spieler, der alle Scorerwertungen anführt, aber er ist eben Führungsspieler, der in solchen Momenten, auch mal ein Zeichen setzt, ein Foul im normalen Bereich begeht, um das Team aufzurütteln. In Nürnberg hat der Maximilian Kastner ein falsches Zeichen gesetzt, als er dem Gegner einen Stockschlag auf den Kopf verpasst hat. Das war völlig falsch - und am Ende spielentscheidend. Während seiner Strafe fiel das 0:3 und dann war die Partie vorbei. Die Aktion zeigt, wie tief der Frust beim EHC sitzt. Der ist nicht mehr an der Oberfläche, sondern tief innen drin, denn der Kastner - ich kenne ihn persönlich gut - ist eigentlich ein ganz feiner Kerl, der keiner Fliege was zuleide tun kann.
Die Nerven liegen blank.
Das stimmt. Man sieht das an so kleinen Sachen, dass nach dem Spiel sich keiner mehr zum Interview stellt. Da weiß man: Der Weihnachtsbaum brennt bei den Red Bulls.
"Ruhe bewahren" in der Krise
Sie haben in Ihrer DEL-Karriere auch viele Krisen miterlebt, wie kommt der EHC aus diesem Loch wieder raus?
Ruhe bewahren. Jetzt mit Straftrainings zu arbeiten und das Pensum zu verdoppeln, bringt ja nichts. Dafür stehen jetzt viel zu viele Spiele an. Man muss die Fehler analysieren, darf aber auch jetzt den Panikknopf nicht dauerdrücken.
Auch die Torhüter stehen beim EHC scharf in der Kritik. Das kennen Sie als früherer DEL-Keeper ja bestens.
Oh ja (lacht). Wobei ich Danny aus den Birken beim Nürnberg-Spiel nicht so schlecht gesehen habe. Aber es ist sicher so, dass man gerade in so einer Situation auch mal einen Goalie braucht, der ein Spiel für dich gewinnt. Wo man am Ende einen dreckigen 3:2-Sieg holt, von dem keiner weiß, wie man die Partie eigentlich gewinnen konnte, aber der Torwart war halt so gut. Auch solche Spiele haben die in München gerade nicht. Es bleibt spannend.