Helmut de Raaf: "Man muss mal Dampf ablassen!"

Helmut de Raaf, Assistenzcoach beim EHC Red Bull, über Gegner Mannheim, den Frust der Torhüter und Probleme seines Teams.
von  Matthias Kerber
EHC-Assistenztrainer Helmut de Raaf (r.) (hier mit EHC-Coach Pierre Pagé).
EHC-Assistenztrainer Helmut de Raaf (r.) (hier mit EHC-Coach Pierre Pagé). © Rauchensteiner/Augenklick

AZ: Herr de Raaf, am Freitag geht es für Sie mit dem EHC Red Bull München nach Mannheim. Dorthin, wo Sie die letzten 14 Jahre die Jungadler trainierten.


HELMUT DE RAAF: Es war eine lange Zeit, eine schöne Zeit, eine erfolgreiche Zeit. Neun Jahre war Mannheim der Lebensmittelpunkt meiner Familie, davor bin war ich ja ständig gependelt. Ich denke, ich werde am Freitag sehr viele Hände schütteln müssen. Ich hoffe, es werden nicht so viele, dass ich mich nicht auf die Vorbereitung des Spiels konzentrieren kann.


Bisher lief es für den EHC in dieser Saison durchwachsen.


Stimmt. Es gab sehr gute Teilaspekte, aber das große Ganze hat noch nicht gestimmt. Da gab es manchmal wieder Momente, in denen es fast so aussah, als hätten die Spieler die einfachsten Grundlagen vergessen. Klar, wir haben ein neues System, das viel körperlichen Einsatz, aber auch den Einsatz des Kopfes voraussetzt. Wir geben viele Freiheiten, aber wie immer im Leben, wenn man viele Freiheiten hat, hat man auch viele Pflichten. Die Freiheiten sieht jeder sehr schnell, die Pflichten dauern oft länger. Die einzige Konstante, die wir bisher im Spiel haben, ist der Torwart. Mit welcher Konstanz Jochen Reimer gehalten hat – und uns damit in Spielen gehalten hat – war sehr beeindruckend.


Er war von den Defensivleistungen weniger beeindruckt, nach der Pleite in Nürnberg ließ er seinen Frust an der Banktür aus.


Ich kenne das aus meiner Zeit als Torwart. Es gibt Situationen, da muss der angestaute Frust mal raus. Dass er sich auch mal im Stich gelassen fühlt, ist klar. Da muss man mal Dampf ablassen. Mir ist lieber, einer reagiert sich ab, als einer, der alles in sich reinfrisst und innerlich zergeht.


Es lag aber nicht nur an dem neuen System, sondern auch an der Einstellung einiger Stars. Trainer Pagé sagte, einige würden denken, dass Eishockey in Europa Urlaub sei.


Pierre und ich, wir sind beide Vertreter der klaren Ansprache. Wir halten nicht viel davon, eine lange Vorrede um den heißen Brei herum zu machen und damit die Botschaft abzumildern. Wir sagen es lieber direkt. Pierres Worte waren als Weckruf gedacht.


Es dürfte aber auch Einzelgespräche gegeben haben.


Das stimmt. Wir wollen wissen, was los ist. Was drückt euch, aber es gibt auch die klare Ansage, was wir erwarten. Man darf nie vergessen, die Spieler, die hierher kommen und vielleicht in der NHL gespielt haben, sind nicht die großen Stars. Wir kriegen nur die Spieler, die in der NHL nur spezielle Rollen übernehmen. Hier müssen sie aber andere Aufgaben übernehmen.


Das hat nicht jeder akzeptiert, wenn man sich die Leistungen einiger sogenannter Topstars zu Beginn ansieht.


Wenn man 20 Jahre immer alles auf eine bestimmte Art gemacht hat, dann sieht man manchmal nicht den Sinn darin, etwas anders zu machen. Aber Pierre hat eine sehr klare Einstellung: „Wenn ihr bisher alles richtig gemacht hättet, wäret ihr nicht hier, sondern in der NHL. Also lasst uns was ändern, vielleicht landet ihr dann wieder in der NHL.”


Pagé führt eine Liste mit allen Probleme, die er ausgemacht hat. Er freut sich sogar, wenn die Liste möglichst lange ist!


So ist Pierre. Er sagt immer: „Sei froh, dass es so ist, denn um das zu lösen, werden wir Trainer bezahlt.” Gäbe es keine Probleme, bräuchten wir keine Trainer.

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