"Falsch wäre, sich noch gegenseitig fertigzumachen", doch im EHC-Umfeld grummelt es

München - Man musste keine geheimdienstliche Ausbildung genossen haben oder Meister der Dechiffrierkunst sein, um den Äußerungen von Dominik Bittner zu entnehmen, dass es beim EHC Red Bull München rumort. Wenn ein Spitzenteam und Meisterschaftsanwärter ein solches Wochenende zum Vergessen erlebt, statt die erklärte Aufbruchstimmung auch mit Taten zu unterfüttern, dann ist das beileibe kein Wunder.
Musterprofi Bittner appellierte also nach dem enttäuschenden 0:4 in Bremerhaven an seine Kollegen, die Reihen zu schließen und zusammenzustehen. "Falsch wäre, sich noch gegenseitig fertigzumachen und runterzuziehen", sagte der Verteidiger in ernstem Ton und mit ernstem Blick bei Magentasport.
Er forderte: "Trotz der Umstände der zwei Niederlagen kann man beeinflussen, dass man auf der Bank und in der Kabine positiv bleibt und sich gegenseitig weiter pusht."
Frischer Wind beim EHC Red Bull München unter Kaltenhauser wie weggeweht
In Bittners Worten schwingt automatisch die Möglichkeit mit, dass der Appell ungehört verhallt, dass sich zersetzende Kräfte breitmachen im Kader. Diesen Mechanismus zu verhindern und tatsächlich die beschworene Geschlossenheit herbeizuführen, das ist nicht nur der Job der Führungsspieler im Team, das ist auch der Job von Trainer Max Kaltenhauser.
Der 43-Jährige steht damit schon kurz nach seiner dauerhaften Beförderung zum Chefcoach vor einer ziemlich anspruchsvollen Herausforderung. Nachdem mit Kaltenhauser zunächst rund um den EHC ein Gefühl von Aufbruch, von neuem Geist, von frischer Energie eingezogen war, schien all das am Sonntag besonders im letzten Drittel wie weggefegt.
"Wir müssen das Talent abrufen und müssen füreinander einstehen"
Nach dem vierten Gegentor war es, als hätte jemand dem viermaligen DEL-Meister den Stecker gezogen. Zwar war auch in den Wochen, als Kaltenhauser sein Amt noch als Übergangslösung ausübte, nicht alles eitel Sonnenschein, die Ergebnisse zu wechselhaft, aber der Gesamteindruck ein anderer als unter Toni Söderholm, ein besserer. Deshalb stimmte das Bremerhaven-Spiel, deshalb stimmte auch das Straubing-Spiel (2:5) vom vergangenen Freitag bedenklich.
An fehlender Veranlagung liegen die aufgetretenen Mängel nicht, sagte Bittner. Nicht die schlechte Chancenverwertung, nicht die teils haarsträubenden Patzer in der Defensive. "Dass das Talent da ist in diesem Team, das wissen wir." Was ist dann der Grund? "Wir müssen es abrufen und müssen füreinander einstehen." Das Thema Geschlossenheit eben.
Rund um den EHC beginnt es in den Fan-Seelen zu grummeln
Es ist nicht nötig, die Situation zu dramatisieren. Platz sechs und drei Punkte bis Rang vier sind reparabel, aber wie heißt es so schön: Wehret den Anfängen! Tabellenführer und Titelverteidiger Eisbären Berlin ist außerdem schon 13 Punkte enteilt, und unter den EHC-Fans beginnt es zu grummeln.
Dafür verantwortlich ist vordergründig noch nicht mal die sportliche Lage, sondern der Eindruck, dass sich der Klub von der Basis seiner Anhänger entfernt. Der Rückhalt fängt an der ein oder anderen Stelle offenbar an zu bröckeln. Siege am Donnerstag in Iserlohn (19.30 Uhr) und am Samstag im nächsten Derby gegen Augsburg (19 Uhr/beide Magentasport) wären daher in jeder Hinsicht heilsam.
Warten auf die Rückkehr von Rieder und Smith
Hilfreich wäre auch die Rückkehr von Tobias Rieder (Gehirnerschütterung), der weder am Freitag noch Sonntag im Kader stand. Der langjährige NHL-Profi würde das EHC-Spiel bereichern, so wie er es bis zu seiner Verletzung in Frankfurt getan hatte. Auch die Erfahrung eines Ben Smith, der vor seinem Ausfall sehr gut in einer Reihe mit Yasin Ehliz und Markus Eisenschmid harmonierte, wird vermisst.
Tja, und hinten, hinten wäre endlich wieder Stabilität geboten, die den Job auch für Torwart Mathias Niederberger leichter machen würde. Einen Hoffnungsschimmer hat Bittner aber ausgemacht. "Solange die Chancen da sind", sagte er, "ist das noch ein einigermaßen gutes Zeichen."