Ex-EHCler Pinizzotto: "Lieblingsfeinde" und "beste Freunde"
AZ-Interview mit Steven Pinizzotto. Der ehemalige NHL-Star (34) spielte von 2015 bis 2018 beim EHC Red Bull München, mit dem er drei Mal die Meisterschaft holte. Danach wechselte der Strafbankkönig der DEL zu den Kölner Haien, die am Sonntag (14 Uhr) in München zu Gast sind.
AZ: Herr Pinizzotto, nach drei sehr erfolgreichen Spielzeiten beim EHC Red Bull München, in denen Sie jeweils am Ende den Meisterpokal in Siegerpose gen Himmel stemmen konnten, kehren Sie jetzt erstmals mit Ihrem neuen Arbeitgeber, den Kölner Haien, an die alte Wirkungsstätte zurück. Ein komisches Gefühl?
STEVEN PINIZZOTTO: Klar ist so etwas kein Spiel wie jedes andere. Ich hatte in München sehr viel Erfolg und wenn man sich auf den Rängen umschaut, wird man sehr viele Jerseys mit meinem Namen drauf sehen. Also habe ich wohl einiges dort richtig gemacht. Ich werde dort auf einige Leute treffen, die zu meinen besten Freunden gehören, Leute, mit denen ich durch dick und dünn gegangen bin, die für mich alles gegeben haben und für die ich alles gegeben habe. Auf die Freude ich mich sehr.
Klingt nach einem großen Aber.
Nun, ich werde auch auf einige meiner Lieblingsfeinde treffen. Und auch auf sie Freude ich mich, aber auf eine andere Art. Es gab Zeiten in München, da hatte ich fast den Spaß am Eishockey verloren. Trainer Don Jackson und ich sind sicher nicht herausragend miteinander ausgekommen. Es gab in den drei Jahren immer wieder Situationen, in denen man das merken konnte. Hier in Köln habe ich jetzt den Spaß wiedergefunden. Vielleicht hatte ich sogar in meiner Karriere noch nie so viel Spaß wie jetzt.
Also gibt es über die Trennung böses Blut?
Nein. Letztlich ist Eishockey ein Business. Und es gibt eben Geschäftsentscheidungen. Von beiden Seiten. Die gefallen einem nicht immer, aber das gehört zum Eishockey dazu. Nur soll bitte keiner erzählen, dass man mir die Entscheidung ins Gesicht gesagt hätte, dazu brachte keiner den Mut auf. Ich weiß, was ich für den EHC geleistet habe – und auch, wenn es vermessen klingen mag: Ob sie ohne mich die drei Meisterschaften geholt hätten, darf man sicher fragen. Aber was soll’s, es hat sich viel getan seitdem.
Sie sind erstmals Vater geworden!
Ja, und dieser Moment, wenn man sein eigenes Kind das erste Mal in den Händen hält, verändert das ganze Leben, verändert deine Sicht der Dinge. Es ist so, als ob alles andere seine Wichtigkeit, seine Wertigkeit verloren hätte. Meine Frau musste 20 Stunden die Wehen ertragen, es war ein harter Gang und ich war die ganze Zeit an Ihrer Seite. Die Haie haben sich da auch vorbildlich um uns gekümmert, das war ein echter Akt der Klasse. Denn es gab Probleme mit unserem Versicherungsschutz in Nordamerika. Jetzt hat ein Kanadier mit einer Amerikanerin ein deutsches Kind (lacht).
Man hört die bedingungslose Liebe in Ihrer Stimme.
Ja, sie ist das größte Geschenk, das man uns machen konnte. Wir sind auf Wolke sieben. Sie ist ein Engel durch und durch.
Ganz der Vater!
(lacht) Genau, sie ist mein Abbild. Mal sehen, vielleicht werde ich ja doch noch mal ein netter Kerl. In ein paar Jahren.
Sie haben sich den Ruf als böser Bube der DEL in den Jahren mit dem EHC erarbeitet.
Es gibt nicht viele Spieler, die wie ich sind. Ich bringe eine Physis und Härte ins Spiel, keine Frage. Ich kann dir physisch wehtun, aber wenn ich das nicht tue, kann ich dir auf andere Arten wehtun, indem ich Tore mache, sie vorbereite. Ich finde Wege, dir weh zu tun (lacht). Aber Spaß beiseite, ich mag es, Checks auszuteilen, das gehört zu meinem Spiel. Und auch das ist eine Kunst, denn es ist wie ein ständiger Ritt auf der Rasierklinge.
Trotzdem: Wie gehen Sie damit um, wenn Sie derart am Pranger stehen wie nach Ihrem Foul im Viertelfinale gegen Matthias Plachta von den Adler Mannheim. Es gab danach Morddrohungen, Politiker forderten für Sie sogar Stadionverbote, weil Sie den Vorsatz zur Körperverletzung hätten.
Oh Mann, es gibt so viele Pharisäer da draußen. Ich werde von einigen Leuten solange verdammt, bis ich in ihrem Team spiele. Ich glaube nicht, dass all die Leute mein Trikot tragen, weil ich so nett bin, sondern weil ich eben noch eine andere Dimension ins Spiel bringe. Und zu der Frage, wie man damit umgeht: In meinen Augen hat man nur die Wahl zwischen zwei Standpunkten. Entweder man nimmt es sich zu Herzen und geht dann vielleicht dran zugrunde oder aber man entscheidet sich, dass es einen nicht berührt und berühren darf. Diese Entscheidung kann man bewusst fällen. Ich habe mich entschieden, dass all die Aufregung auf mein Spiel keinen Einfluss hat. Mich stört es nicht, wenn sich alle Wut, aller Hass auf mich konzentriert. Ich muss mit mir selber leben und ich weiß, dass ich nie jemanden absichtlich verletzt habe. Eishockey ist immer noch ein Kontaktsport. Aber wie gesagt: Wer weiß, vielleicht werde ich ja noch irgendwann ein netter Kerl, den alle mögen. Wäre mal was anderes (lacht).
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