EHC: Vom Zauderer zum Zauberer

EHC-Keeper Sebastian Elwing brilliert in Ravensburg. "Das war Weltklasse", sagt Manager Christian Winkler. Dabei wurde Elwing nur aus Schikane Torwart.
MÜNCHEN Es kommt nicht oft vor, dass Christian Winkler, der Manager des EHC München, einen Spieler besonders hervorhebt, dass man beim EHC von der Berti-Vogts-Doktrin „der Star ist die Mannschaft“ abweicht. Und wenn er dann noch den eigenen Torhüter trotz einer Niederlage adelt, ist klar, es muss sich Ungewöhnliches abgespielt haben. „Was Elle in Ravensburg gezeigt hat, kann man nur mit einem Wort beschreiben: Weltklasse“, sagte Winkler.
Elle, das ist Torwart Sebastian Elwing. Und bei der Leistung die der 29-Jährige bei dem Playoff-Krimi im zweiten Halbfinalspiel bei den Tower Stars, der unglücklichen 2:3-Niederlage nach Penaltyschießen, abrief, rieben sich nicht nur seine vielen Kritiker die Augen. „Das war ein bärenstarkes Spiel“, befand auch Coach Pat Cortina, „wir wussten ja anfangs auch nicht genau, was wir an ihm haben. Seit einiger Zeit wissen wir es. Und: Was wir haben, ist gut.“
Lange war Elwing umstritten, der Berliner hatte mit seinem unorthodoxen Stil auch in EHC-Kreisen seine Zweifler. Da half es auch nichts, dass Keeper-Legende Peppi Heiß, der Torwarttrainer des EHC, für Elwing eine Lanze brach: „Er hat zwar keinen Stil, aber am Ende hat er den Puck irgendwie immer. Der Erfolg gibt ihm Recht.“ Elwing selber weiß, dass er polarisiert, dass sein Stil anders ist. „Ich hatte eigentlich nie einen Torwart-Trainer, der mir was beigebracht hat, so hat sich halt mein eigener Stil entwickelt. Das funktioniert für mich.“
EHC: Vollmer ist Elwings "Fan und Cheerleader"
So hat er auch Stammtorwart Joey Vollmer, der eine Verletzung nach der anderen hatte, aus dem Kasten verdrängt. „Ich bin Elles größter Fan und Cheerleader. Ich bin froh, dass er so gut hält. Ich würde mir nie verzeihen, wenn unsere Supersaison den Bach runtergehen würde, weil ich so viele Verletzungen hatte“, sagte Vollmer, der am Montag 29 wurde: „Der Sebastian hält fantastisch und ist ein echter Rückhalt für uns alle.“
So wie am Sonntag. „Sebastian zog die Pucks fast wie ein Magnet an. Das war fast magisch“, sagte Winkler. So wie der Zauberer Gandalf aus dem J.R.R.-Tolkien-Roman „Herr der Ringe“, den Elwing als Airbrush auf seinem Helm trägt. „Ich mag die Botschaft dieses genialen Buches: Niemals aufgeben, denn es besteht immer Hoffnung, dass sich am Ende eben alles zum Guten wendet.“
So wie auch bei Elwing, der sich vom Zauderer zum Zauberer wandelte. „Er ist sehr zurückhaltend und muss sich erst einmal wohlfühlen“, sagt Winkler über Elwing, der daher anfangs nicht unbedingt ein Ruhepol war. Elwing kam übrigens als Zehnjähriger ins Eishockey-Tor. Als Schikane, als Mobbing. „Mein damaliger Trainer wollte mich eigentlich rausschmeißen, er hat mich dann vor die Wahl gestellt: Entweder ins Tor oder raus aus dem Team. Ich ging ins Tor“, sagt Elwing, der gegenüber diesem Coach unversöhnlich ist. „Dieser Mensch ist es nicht wert, dass man ein weiteres Wort über ihn verliert.“
EHC: Den Ehering trägt Elwing auch im Spiel
Dafür redet er gerne über seine Familie. Elwing spielt immer mit dem Ehering an der rechten Hand, in der Kabine hat er einen Glücksbringer seines Sohnes, einen Teddy, sitzen. „Ich mache nicht groß Mentaltraining. Meine Familie ist alles, was ich brauche.“
Am liebsten geht er mit seiner Frau und dem Sohn Lenny (2) in den Zoo. „Das ist so faszinierend. Jedes Mal ist er in ein anderes Tier vernarrt. Mal sind es die Robben, dann die Löwen, dann die Giraffen oder Elefanten. Und wenn ich ihn dann abends ins Bett bringe, dann erzählt er noch mal ganz genau, was er alles gesehen hat. Und zum Abschluss, da sagt er dann: Der Lenny muss jetzt schlafen, denn die Tiere, die schlafen auch schon alle. Diese Momente geben mir meine Ruhe.“
Matthias Kerber