Interview

EHC-Rekordspieler Daryl Boyle: "Nach dem zweiten Titel hatte ich einen Filmriss"

Daryl Boyle ist der Rekordspieler des EHC Red Bull. Zuvor war er für Erzrivale Augsburg, der am Sonntag zum Derby ruft, auf dem Eis. Der Verteidiger spricht in der AZ über Spitznamen, Narben und die Familie.
von  Martin Wimösterer
Rekordhalter: Boyle hat nun 483 DEL-Spiele für den EHC bestritten.
Rekordhalter: Boyle hat nun 483 DEL-Spiele für den EHC bestritten. © City-Press/ho

AZ: Herr Boyle, Sie kamen 2011 als junger Bursch aus der kanadischen Provinz nach Deutschland. Inzwischen haben Sie mit dem EHC Red Bull drei Titel und Olympia-Silber mit Deutschland gewonnen. Wachen Sie manchmal auf und denken, wie verrückt das ist?
DARYL BOYLE: Ja, das kommt vor. Ich sollte mit Blick auf meine Karriere dankbar sein. Das ist nicht selbstverständlich. Die Zeit fliegt, aber meine Frau hat uns inzwischen zwei kleine Buben geschenkt und ich habe hier eine tolle Zeit gehabt. Ich kann mich noch genau an die Tage erinnern, als ich 2014 nach München kam. Davor war ich in Augsburg, da hatten wir nicht das beste Team. In München, daran musste ich mich erst gewöhnen, gab es hohe Erwartungen. Es lief dann im ersten Jahr nicht, wie wir uns das erhofften, aber wir hatten den Anspruch, ein Top-Team zu sein. Und dem sind wir danach gerecht geworden.

Und Sie sind den ganzen Weg mit dem EHC mitgegangen und haben kürzlich Yannic Seidenberg als Rekordspieler des Klubs abgelöst. Nennen Sie Ihre Kollegen in der Kabine denn nun auch "Mister München"?
Als die Story dazu auf der EHC-Webseite erschien, da haben mich ein paar Jungs ein paar Tage damit aufgezogen. (lacht) Aber nein, die meisten nennen mich "Boyler".

Andere nennen Sie auch "Mister Zuverlässig".
Wenn wir schon dabei sind mit den Spitznamen: Ich versuche, "Mister Konstant" und "Mister Verlässlich" zu sein.

"Das ist wohl die beste Generation seit langem"

Im heutigen Eishockey geht es viel ums Spektakel: um lacrosseartige Tore, technische Finessen. Konstanz und Verlässlichkeit kriegen öffentlich oft wenig Wertschätzung. Vermissen Sie das Scheinwerferlicht?
Nein. Mir geht es nur darum, defensiv solide zu spielen und beizutragen, dass das Team gewinnt. Das sind keine Dinge, die groß im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen, aber das ist für mich in Ordnung. Das Spiel hat sich eben auch geändert. Die Jungs, die in der DEL nachkommen, sind schneller auf den Kufen unterwegs und talentierter mit dem Schläger. Wenn ich mich erinnere, was wir gemacht haben, als ich 18 war. . .

Schleppten Sie LKW-Reifen, wie Spieler der alten Schule?
Nein, das auch wieder nicht. Aber wenn ich sehe, wie zielgerichtet das heute läuft, das ist schon toll. Das ist wohl die beste Generation seit langem.

Eine Goldene. Das war noch anders, als Sie hier ankamen.
Oh Mann, ich erinnere mich an mein erstes Spiel hierzulande. Ein Vorbereitungsspiel mit Augsburg in Straubing. Das war ein richtiggehender Schock. Das Eis war größer, das Spiel schnell und vor allem bist du bei jeder Gelegenheit gecheckt worden. Ich dachte mir: Das kann doch nicht wahr sein! Die Jungs drüben erzählen, in Europa wird nicht hart gespielt. Das stimmt mal gar nicht. (lacht)

Sie können Fotos von Blutergüssen, Schrammen und anderen Verletzungen schicken.
Ja, sollte ich wohl. (lacht)

Apropos Narben: Wie geht es Ihrer linken Wange?
Sie spielen auf Olympia an, wo ich mich dort verletzte.

Sie wünschten sich, dass eine Narbe bleibt, die Sie immer an das Turnier mit der Silbermedaille erinnert.
Ja. Es ist aber alles verheilt.

Filmriss von der Kabinenparty

Ihre Frau, mit der Sie sich auf der Zugspitze verlobten, wird froh sein.
Wahrscheinlich. Aber ich habe das Gefühl noch, wie es in Pyeongchang war. Die Medaille ist ein Höhepunkt meiner Karriere, zusammen mit den drei Titeln am Stück.

Was war die beste Kabinenparty?
Die Zweite in München, mit viel Flüssigem. Sie war sehr gut. . . soweit ich mich erinnern kann.

Ein Filmriss?
Jawohl. Aber ich würde es wieder so machen.

Auch bei einem vierten Titel?
Ich denke schon. Meine Frau würde mir da das Einverständnis geben. Die Saison läuft bisher großartig. Wenn wir in den Playoffs so spielen, haben wir die Chance auf Nummer vier.

Ihr Ex-Klub Augsburg dagegen kämpft um den Klassenerhalt. Haben Sie vor dem Derby am Sonntag (16.30 Uhr, Magentasport) Mitleid?
Es ist großer Mist, dass sie unten drinhängen. Ich hoffe, dass sie hochkommen. Die Fanlager mögen sich nicht, aber es wäre schade, wenn es dieses Derby nicht mehr gäbe. Sie zu verlieren, wäre schlecht. Aber ich kann ihnen nicht helfen, nur hoffen.

Die Familie: Daryl Boyle mit seiner Frau Dwan und den beiden Söhnen.
Die Familie: Daryl Boyle mit seiner Frau Dwan und den beiden Söhnen. © City-Press/ho

Sie sind nun 35 Jahre alt. Wie planen Sie Ihre Zukunft?
Ob wir nach der Karriere nach Kanada gehen oder hierbleiben, darüber diskutieren meine Frau und ich inzwischen. Gingen wir nach Kanada, würde sie ihr Diplom in Kinderbetreuung beruflich mit Leben erfüllen. Ich müsste mal sehen, was ich tue. Ich habe noch ein paar gute Jahre und würde gern in München weitermachen.

Die Einstiegsfrage aufs Alter bezogen: Wachen Sie manchmal auf und denken, wie verrückt das alles ist?
(lacht) Ja und nein. Ich bin keine 25 Jahre mehr jung. Ich habe mich aber gut umgestellt. Wenn ich müde aufwache, dann wegen meiner Buben, die früh Radau machen. (lacht) Im Ernst: Das sind herrliche Racker. Sie sind das Highlight meines Lebens.

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