EHC-Neuzugang Johansson im AZ-Interview: "Hier versuchen sie, sofort abzuziehen"

AZ-Interview mit Emil Johansson: Der schwedische Verteidiger (26) kam am Tag vor Transferschluss zum EHC Red Bull München. Dort spielt er nun um den Titel in der DEL.
AZ: Herr Johansson, glauben Sie eigentlich an so etwas wie Schicksal oder Bestimmung?
EMIL JOHANSSON: Ganz ehrlich: überhaupt nicht. Ich versuche mich, von solchen Gedankenspielen wirklich fernzuhalten, um nicht auf falsche Ideen zu kommen.
Dabei könnte man in Ihrem Fall ja fast daran glauben. Sie spielten bis vor rund zwei Wochen beim finnischen Klub Vaasan Sport im Tabellenkeller um die Goldene Ananas. Jetzt sind Sie plötzlich beim Topfavoriten auf die deutsche Meisterschaft, dem EHC Red Bull München.
Ja, natürlich ist das speziell. Gerade darum wollte ich hierher kommen - um die Chance auf einen Titel zu haben. Deswegen habe ich mich für München entschieden.
"Ich hätte auch nach Schweden oder in die Schweiz gehen können"
Ihr Ex-Team hatte einen Räumungsverkauf gestartet, weil es in der finnischen Liga keinen Abstieg gibt und Geld gespart werden soll. Sie waren Topverteidiger. Hatten Sie andere Optionen als den EHC? Definitiv. Ich hätte nach Schweden gehen können und auch Schweizer Teams hatten Interesse. Ich war aber an der deutschen Liga interessiert und will am Ende der Saison einen großen Pokal in die Luft stemmen.
Der DEL-Pokal wiegt 10,4 Kilo.
Beachtlich, aber das geht schon. (lacht) Ich habe bisher im Senioren-Bereich noch keinen Titel gewonnen und darum spiele ich: um Siege einzufahren, um eine Meisterschaft zu holen.
Für den Titeltraum sind Sie früh von daheim weggegangen. Sie stammen aus dem Teil Schwedens, an den die Deutschen denken, wenn sie Schweden hören: aus Småland. Haben Sie nun eigentlich Ihren Namen von Emil in Michel verwandeln müssen?
Warum?
"Das Leben als Eishockeyprofi ist ein Privileg"
Das berühmte Lönneberga aus Astrid Lindgrens Kinderbuch liegt ja bei Ihnen um die Ecke und Emil, so heißt er im Original, heißt in der deutschen Version Michel von Lönneberga.
Ach, das wusste ich nicht.
Sollte ein Witz sein. Deutscher Humor.
Haha, kapiert.
Ist Småland so, wie man es aus den Filmen über Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga kennt?
Ich stamme aus einem Ort, aber wenn du raus aufs Land gehst, gibt es auch diese kleinen Flecken. Wobei da die Landflucht in die großen Orte und Städte ein Ding ist. Ich selbst bin mit 16 Jahren von daheim weg und bin in den Nachwuchs von HV71 (schwedischer Erstligist aus Jönköping; Anm. d. Red.) gegangen. Es ist ein besonderer Lebensstil als Eishockeyprofi. Man kommt herum, lernt Neues und neue Leute kennen. Es ist ein Privileg.
Bis er eine Wohnung hat wohnt Emil Johansson im Hotel
Wie ist es, spät in der Saison das Team und die Liga zu wechseln?
Man muss sich natürlich an Neues gewöhnen. Die ersten Erfahrungen sind aber durchweg positiv, zum Beispiel auch, was das Zentrum von München angeht. Eine schöne Stadt.
Wohnen Sie gerade im Hotel oder haben Sie bereits eine Wohnung? Sie könnten ja, das Finale könnte bis zum 27. April gehen, ja noch ein Weilchen hier sein.
Der Klub sucht für mich eine Wohnung, aber der Markt dafür ist in München nicht so leicht, habe ich gehört. Derzeit bin ich im Hotel einquartiert.
Sie haben also den Room Service auf der Kurzwahltaste?
(lacht) Ja, schon irgendwie. Einmal am Tag esse ich sicher im Hotel. Ich versuche aber, fürs Abendessen auszugehen.
"Bis jetzt lerne ich noch jeden Tag dazu"
Zum Beispiel mit den Teamkollegen. Wie sehr sind Sie nach den ersten Tagen schon im Team angekommen?
Die Kameraden sind nett und hilfsbereit. Klar: Zu 100 Prozent habe ich das Münchner Spielsystem noch nicht intus. Wenn man praktisch ein Jahr bei einem anderen Klub war und dann in ein neues System hineinkommt, dann denkt man auf dem Eis erst einmal nach. Kann ich nun angreifen oder soll ich noch defensiv bleiben? Das muss sich noch finden, und ich lerne jeden Tag etwas hinzu, aber das passt schon. Die Trainer haben das gut gemacht, sie haben mir Videos gezeigt, so dass ich es schnell verstehe.
Was sagen Sie nach den ersten fünf Spielen zu Ihrer neuen Liga, der DEL?
Ich hatte davor schon gehört, dass es eine gute Liga ist. Wie eben auch Schweden oder Finnland. Es gibt in jedem Team starke Spieler.
"Hoffentlich enden die Playoffs mit dem Pokal für uns"
Aus Nordeuropa hört man immer: In der DEL wird ziemlich nordamerikanisch gespielt. Teilen Sie diese Sichtweise nach den ersten Eindrücken?
Es sind hier mehr Nordamerikaner aktiv, hier wird mehr "North-South-Eishockey" gespielt - also hin und her. Die Mentalität ist ein wenig anders: Hier versuchen sie, sobald es geht, sofort abzuziehen.
Was erwarten Sie von den anstehenden DEL-Playoffs?
Playoffs sind überall auf der Welt gleich: Es geht um die Ausdauer, den täglichen Kampf und auch das physische Spiel. Hoffentlich am Ende mit dem Pokal für uns.