EHC München: Justin Shugg im AZ-Interview über München, die Wiesn und seine Wurzeln
Der Kanadier Justin Shugg (26) wechselte zu dieser Saison von den Kölner Haien zum EHC Red Bull München. Am Freitag (19.30 Uhr) geht es für den Meister daheim gegen Krefeld und am Sonntag (14 Uhr) gegen die Haie.
AZ: Herr Shugg, klären Sie uns auf, wie hat der EHC Red Bull München die 3:8-Klatsche bei den Iserlohn Roosters, die zweithöchste Pleite der Vereinsgeschichte, verdaut?
JUSTIN SHUGG: Oh, wir haben extensive Videoanalyse betrieben, in der alle Fehler angesprochen und analysiert wurden. Es tat ein bisschen weh, wenn man das sieht, aber es ist der erste Schritt zur Besserung. Wir haben am Freitag daheim gegen Krefeld die Chance, unseren Ruf wiederherzustellen. Aber was viel wichtiger ist, wir können jetzt als Team wachsen, wir können zeigen, dass wir extreme Abwehrkräfte gegenüber Misserfolgen haben.
Wie läuft so eine Videoanalyse ab, legen Trainer Don Jackson und Assistenz-Coach Matt McIlvane den Finger sehr tief in die Wunde?
Was gleich auffällt, ist, dass es in diesem Klub nur konstruktive Kritik gibt. Es wird nie ein Spieler bloßgestellt oder das Fass der Häme über ihm ausgeschüttet. Die Trainer zeigen den Fehler auf – präsentieren aber auch Lösungen. Wenn man sich das Iserlohn-Spiel anschaut: Es war einer dieser Tage, an dem die Pucks, die sonst 50:50 sind – also mal zu deinen Gunsten, mal zu deinen Ungunsten springen –, alle gegen uns gingen. Damit umzugehen, ist die hohe Kunst des Eishockeys. Man hat nicht immer das Glück auf seiner Seite, es wird eben Tage geben, wo alles gegen dich läuft. Dann aber Wege zu finden, um den Erfolg auf deine Seite zu zwingen, ist das, was Champions ausmacht. Zu gewinnen, wenn alles gut läuft, ist nicht die ganz große Kunst. Aber Siege zu holen, wenn es eigentlich nicht sein kann, ist das, was großartige Spieler und Teams schaffen.
Justin Shugg: "München hat diese Energie"
Der EHC hat das die letzten drei Spielzeiten geschafft, ist jeweils Meister geworden. Ist es für Sie als Neuzugang schwer, gleich in diese Mannschaft zu passen?
Es ist sicher eine Herausforderung. Wir müssen uns als Gruppe noch finden. Ich war auch früher schon in Teams, die Titel geholt haben. Und was sie alle auszeichnet, ist diese spezielle Aura. Man geht in die Umkleide und du merkst sofort dieses Selbstvertrauen, diese ungreifbare Energie. Du kannst sie nicht sehen oder erklären. Aber sie ist da. Da ist eine spezielle Magie. Und München hat diese Energie, diese Magie offensichtlich schon sehr, sehr lange in seinen Reihen.
Sie ist schon Dauergast.
Ich hoffe, ich habe sie nicht verschreckt. Aber Spaß beiseite, ich liebe diese Atmosphäre. Sie gibt einem als Neuzugang einen ganz besonderen Push.
Justin Shugg: Seine besondere Verbindung zu Trevor Parkes
Wie war es für Sie, als Sie erfahren haben, dass nicht nur Sie beim EHC Red Bull München unterschrieben haben, sondern auch Trevor Parkes, mit dem Sie aufgewachsen sind und mit dem zusammen Sie mit dem Eishockey angefangen haben?
Das war die berühmte Sahne auf der Torte. Zum Meister zu wechseln ist schon toll, wenn aber dann einer der besten und ältesten Freunde auch noch zu dem Team kommt, ist es wunderbar. Man hofft immer, dass man in einer neuen Mannschaft wirklich gute Freunde findet und jeder, der das Spiel einige Jahre betrieben hat, wird Ihnen das Gleiche erzählen: Man findet im Sport Freunde, die dich dein Leben lang begleiten. Aber einen zu haben, den man seit Kindertagen kennt, der fast wie ein Bruder ist, ist sehr speziell.
Sie, der kleine Bruder, er, der große, der kräftige.
(lacht) Das Witzige ist: Als wir aufgewachsen sind, war Trevor immer der Kleinste. Da war ich es, der einen Kopf größer war als er. Aber er ist irgendwie immer weitergewachsen. Und wie er trainiert, sich fit hält, das ist großartig. So einen Körper, den hast du nur mit extrem harter Arbeit. Seine Größe, seine Stärke, seine Härte sind ein großer Teil seines Spiels und ich profitiere davon, denn er schafft Räume, die ich, die wir, nutzen können.
Justin Shugg: Sein Vorbild ist Bobby Orr
Sie, Trevor und John Mitchell bilden eine großartige Linie.
Es hat einfach gleich Klick gemacht. Und es macht großen Spaß mit den beiden. Ich kann da auch nur unserem Trainer-Team und Manager Christian Winkler gratulieren, dass sie den Weitblick hatten, so eine Linie zusammenzustellen. Man hat drei Neue, die man nicht so gut kennt, steckt sie in eine Linie und sie explodieren gleich auf dem Eis.
Sie tragen die Nummer 14 beim EHC – wunderten Sie sich, dass so viele Fans in München Ihre Nummer tragen?
(lacht) Ich weiß, worauf Sie hinauswollen: Steve Pinizzotto, der die vergangenen drei Spielzeiten mit der Nummer in München unterwegs war. Ich wurde schon damit aufgezogen. Ich kenne Pinner nicht so gut, anhand dessen, was ich von ihm gesehen habe, kann ich nur sagen, dass er ein wirklich guter Spieler ist. Und die Jungs in der Kabine haben auch nur Gutes über ihn zu erzählen. Er ist in seiner Art als Typ und Spieler sicher einzigartig. Und mir ist bewusst, dass er hier in München gewaltige Spuren hinterlassen hat. Ich habe große Fußstapfen auszufüllen. Ich hoffe, es gelingt mir, dass man meine Fußspuren neben den seinen auch bald sehen wird.
Hat die 14 für Sie eine besondere Bedeutung?
Ich habe sie schon als Kind getragen. Mein großes Vorbild war Bobby Orr.
Justin Shugg über München: "Umwerfend"
Der legendäre Stürmer, der in den 60er und 70er Jahren für die Boston Bruins und Chicago Blackhawks in der NHL mit der Nummer 4 gespielt hat.
Genau, er war mein Held, daher war die vier immer meine magische Nummer und ich habe immer geschaut, dass in meiner Nummer die 4 enthalten ist. Mal die 4, die 14, die 41. Jetzt bin ich eben wieder die 14.
Am Sonntag (14 Uhr) geht es gegen Ihren Ex-Klub Kölner Haie, der sich die Dienste von Pinizzotto, der dort auch wieder die 14 trägt, gesichert hat.
Es ist schon witzig, wie die Dinge manchmal laufen, dass wir mehr oder weniger Nummern und Vereine tauschen. Ich freue mich auf das Spiel gegen Köln, es ist etwas Besonderes.
Wie heimisch fühlen Sie sich denn bereits in München?
Die Stadt ist umwerfend, atemberaubend. Und jetzt das Oktoberfest. Dass Menschen aus der ganzen Welt hierher zu euch kommen, um Bier zu trinken: Wenn das nicht was Besonderes ist, dann weiß ich nicht. Was mich fasziniert, ist auch die Kultur, die dahintersteckt, wie klein es mit der Wiesn angefangen hat, die vielen Bedeutungen, die es hier gibt. Dass gewisse Farben etwas aussagen, dass die Position der Schleife eine Bedeutung hat.
Sind Sie eigentlich sehr an Kultur interessiert?
Lassen Sie es mich so sagen: Wenn man aus Kanada hierherkommt, wie kann man diese gelebte Kultur nicht lieben? Die Familie meiner Mutter stammt zum Beispiel aus Italien, dort Verwandte zu treffen und ein ganz anderes Leben zu sehen, fasziniert mich. Meine Familie kam aus Europa nach Kanada, ich gehe jetzt den anderen Weg. Es gibt so viele Unterschiede, sie machen das Leben reicher, vielfältiger. Und all diese Erfahrungen lassen mich als Mensch wachsen. Man kann gar nicht anders, man wächst durch diese Erlebnisse. Der Horizont erweitert sich. Ich genieße das alles sehr.