EHC: Die Heimkehr des Flüchtlings
München - Wieso? Weshalb? Warum? Die jüngste Verpflichtung des EHC Red Bull München wirft definitiv mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Denn die Red Bulls haben einen zurückgeholt, der in der vergangenen Chaossaison seine Koffer freiwillig packte und frustriert, demotiviert, angefressen und wütend die Stadt verließ: der amerikanische Stürmer-Star Jon DiSalvatore.
Wochenlang war nun DiSalvatore von seinem Agenten in Europa und auf dem deutschen Markt angeboten worden, doch die anderen Vereine waren abgeschreckt von der Visitenkarte, die der Stürmerstar in den wenigen Monaten in München hinterlassen hatte. Nur der EHC, der die Zustände in der vergangenen Saison ja zu seinem eigenen Leidwesen bestens kannte, erwies sich als abschreckungsresistent.
Nach AZ-Informationen gab es ein langes Gespräch zwischen dem neuen EHC-Trainer Don Jackson und DiSalvatore, der in der AHL insgesamt 843 Spiele bestritt, dabei 247 Tore und 340 Assists erzielte. Danach hob Jackson den Daumen – und sein amerikanischer Landsmann unterschrieb am Samstag den neuen Vertrag. Er kann jetzt das Trikot wieder überstreifen, das er im Dezember 2013 freiwillig abgelegt hatte. Bereits am Dienstag wird DiSalvatore, der am Montag am Münchner Flughafen landete, mit der Mannschaft trainieren, die seit einer guten Woche im Trainingslager in Garmisch ist.
Klar ist, die Chemie zwischen DiSalvatore, der in den USA ein großer Star war, und dem Ex- Trainer des EHC, Pierre Pagé, der keinen Spieler als Star ansieht, der sich nicht in der NHL durchgesetzt hat, stimmte vom ersten gemeinsamen Arbeitstag an überhaupt nicht. DiSalvatore und der andere AHL-Superstar Darren Haydar versuchten anfangs, ihre Erfahrung einzubringen, wurden aber gleich von Pagé vor der versammelten Mannschaft abgekanzelt. „Wenn ihr so gut wäret, ihr alles richtig gemacht hättet, dann würdet ihr nicht in der DEL spielen, sondern in der NHL“, hatte Pagé ihnen dabei an den Kopf geworfen.
Immer wieder gerieten Trainer und DiSalvatore aneinander, das innovative (andere sagen chaotische) Spielsystem des Ex-NHL-Coaches, bei dem es keine festen Positionen der Spieler gibt, sondern dauernd durchgewechselt wird, stieß bei DiSalvatore und Haydar auf Missfallen. Pagé brandmarkte die beiden dann auch öffentlich als „Urlauber“. Bereits Ende September polterte er: „Wo waren unsere besten Spieler? Das Problem gibt es öfters mit Spielern, die direkt aus Nordamerika nach Europa kommen. Sie denken, das ist fast Urlaub. Ist es aber nicht.“ Es folgten weitere verbale Tiefschläge. So prangerte Pagé den „schlechten Charakter“ einiger Spieler an und meinte, die bräuchten „einen Arschtritt“.
Wem das galt, war klar. DiSalvatore und Haydar. Immer wieder verbannte Pagé DiSalvatore, der mit seiner Frau und den drei Töchtern nach München gekommen war, auf die Tribüne. Wenn er spielte, wirkte er lustlos, er beschwerte sich viel, seine Bereitschaft, in der Defensive mitzuarbeiten, war überschaubar. Diese Null-Bock-Einstellung kam auch in der Mannschaft nicht gut an, doch sie war nicht Ausdruck von Kameradenschwein- Mentalität, sondern purer Frust. Pagé und DiSalvatore sprachen kaum noch miteinander, wenn dann nicht freundlich.
Der Frust entlud sich endgültig im Dezember. DiSalvatore bat um die Vertragsauflösung. „Das muss ich mir nicht länger antun, das habe ich nicht nötig“, vertraute er damals einem Teamkollegen, der nicht mehr zum aktuellen EHC-Kader gehört, an. Der EHC willigte ein, nach 22 Spielen mit sechs Treffern und 11 Vorlagen war sein Deutschland- Abenteuer (bis jetzt!) beendet. DiSalvatore machte die Eisfliege, heuerte bei der Syracuse Crunch in der AHL an, wo er in 46 Spielen 11 Tore und 17 Assists machte. Jetzt hat er was gutzumachen, seinen ramponierten Ruf aufzupolieren. Schon nach seinem Abschied hatte er gesagt: „Eines Tages werde ich vielleicht die Wahrheit erzählen.“
Die Wahrheit, sie liegt auf dem Eis. Da muss DiSalvatore jetzt die Leistung zeigen, die er beim ersten Kurzbesuch schuldig geblieben war, da muss er den Fans in München den wahren DiSalvatore zeigen, den er ihnen bisher verweigert hat. Eine mutige Entscheidung des Vereins, der die Rückkehr des Verstoßenen, des EHC-Flüchtlings, forciert hat, und auch von DiSalvatore, der zurückgeht in die Höhle des Roten Bullen.
Er will die Antworten geben, damit am Ende keiner mehr fragen muss: Wieso? Weshalb? Warum? Matthias Kerber Jon DiSalvatore, der den EHC im Dezember auf eigenen Wunsch verließ, heuert jetzt wieder an. Der Amerikaner hat viel zu beweisen Im Dezember verließ er nach seinem