EHC braucht die Wolfsburg-Form, zeigt aber das Hauptrunden-Gesicht
München - Sich mal eine Pause nehmen - eigentlich so gar nichts für Eishackler. Das beste Beispiel dafür saß, die Zuschauer in der Bremerhavener Eisarena hatten sich kurz vor Spielende klatschend erhoben, unten auf der Wechselbank: Christian Wejse, zu erkennen am Schutzgitter vorm Gesicht.
Wejse hatte bei einem missglückten Check Ende Januar ein Stück Nase verloren, abgetrennt vom eigenen Sichtvisier. "Dann kam der Arzt, der ein Papiertuch mit Eis in der Hand hatte. Er sagte: 'Hier ist deine Nase.' Ich war schockiert, aber ich musste auch ein bisschen lachen", erzählte der Däne "buten und binnen". Die Docs flickten ihm den Riechkolben mit 25 Stichen wieder an.
EHC Red Bull bleibt erstmals gegen Bremerhaven ohne eigenes Tor
28 Tage nach dem Blutdrama in Nürnberg spielte er mit dem Schutzgitter schon wieder in der Deutschen Eishockey Liga, schoss seither sechs Tore. Auch am Ostermontag, beim 3:0 im ersten Halbfinale seiner Fischtown Pinguins Bremerhaven gegen den EHC Red Bull München, war er im Einsatz.
Pausen nehmen - das passiert aber eben doch im Eishockey, sogar in den Playoffs. Craig Streu, Co-Trainer des Titelanwärters Eisbären Berlin, kanzelte einige seiner Spieler nach dem ersten Semifinalspiel als "Passagiere" ab. Seine Berliner gewannen dank Kaltschnäuzigkeit trotzdem gegen die Straubing Tigers.
Dem EHC war in Bremerhaven dagegen nicht mal ein Tor gelungen, zum ersten Mal im 46. Vergleich. Der Pfostenschuss von Ben Smith zehn Minuten vor Ende und die Tatsache, dass beim Gegner mit Kristers Gudlevskis der Torhüter des Jahres im Tor steht, hin oder her - der Auftakt ins Halbfinale missglückte. Drei Gegentore im ersten Abschnitt waren zu viele.
EHC zeigt plötzlich das verschwunden geglaubte Hauptrunden-Gesicht
Nach dem überragenden Viertelfinale gegen die Grizzlys Wolfsburg fand der EHC, oft zu passiv oder eben im Forecheck gefährlich blank gelegt, selten Zugriff auf die Partie. Und das trotz der prima Bilanz am Bully-Punkt (Siegquote: über 63 Prozent). Sonst aber ein Auftritt wie häufig in der Hauptrunde: fahrig. Kurioserweise war der EHC gerade aber in der Hauptrunde gegen die Pinguins sehr stark - als einziger Klub der Liga wies er in den direkten Duellen eine positive Punktebilanz gegen den Hauptrundensieger auf.
Im ersten Spiel der laufenden Serie schossen Torjäger Austin Ortega & Co. zwar mit 30 Mal so oft wie nie in dieser Saison aufs Pinguins-Tor. Doch nur ein Fünftel der Abschlüsse kam aus dem Slot, dem Nahbereich direkt vor dem gegnerischen Tor. Zum Vergleich: In der gesamten Hauptrunde war es weit mehr als jeder dritte Versuch. Dort fallen häufiger Tore - kriegt der EHC gegen die dichtgestaffelten Pinguins dort nun wieder Zugriff?
Der EHC ist nun in seiner Woche der Wahrheit. Am Mittwoch (19 Uhr) schon steigt das zweite Spiel, am Freitag das dritte, am Sonntag das vierte. Theoretisch kann dann die Serie schon vorbei sein, denn wer vier Siege einfährt, qualifiziert sich fürs Finale. Dort, wo Mathias Niederberger & Co. vor einem Jahr standen und den Titel am Oberwiesenfeld feierten. Mit der Wolfsburg-Form ist die Wiederholung möglich, mit einem Hauptrunden-Auftreten nicht.
EHC gegen Bremerhaven - das Maximal-Reise-Duell
Bremerhaven steht erstmals im DEL-Halbfinale. Entsprechend fehlt den Pinguins die Meister-Erfahrung noch - wobei, nicht so ganz. Tatsächlich sind die Seestädter jedes Jahr Meister - DEL-Reisemeister. Während der EHC mit den Augsburger Panthern, dem ERC Ingolstadt, den Straubing Tigers und den Nürnberg Ice Tigers vier Gegner bequem erreicht, haben die Pinguins nur die Grizzlys nahe.
Gerade in den Playoffs gehen die pausenlosen Reisen an die Substanz. Dreimal schon warfen der EHC die Pinguins aus der K.o.-Phase. Früher gab es den Witz: München schläft aus, steigt dann ins Flugzeug und winkt auf Bremerhaven herunter, die seit Stunden im Mannschaftsbus über die Autobahn tuckern (und im Viertelfinale schon nach Ingolstadt mussten). 637 km Luftlinie liegen zwischen Bremerhaven und München. Die Maximaldistanz!
In dieser Woche kulminiert die ganze Saison einer Mannschaft mit all den Entbehrungen, Dramen und den Träumen von persönlichem Erfolg, von Prämien, vom Pokal in den Händen. Die Sommerpause ist, so sie für ein Team früher als erwartet kommt, die besonders schlimme Pause.
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