EHC: Aucoin und das Eishockey-ABC
EHC-Stürmer Keith Aucoin spricht exklusiv in der AZ über das Ende seiner Torflaute, wieso sich sein Sohn den Geburtstag aussucht und wie er das Alphabet lernte.
AZ: Herr Aucoin, nachdem Sie in den ersten zwölf DEL-Spielen nicht getroffen hatten, erzielten Sie am vergangenen Wochenende Ihre ersten beiden Liga-Tore für den EHC Red Bull München? Wie sehr ist das eine Befreiung für Sie, der über Jahre einer der größten Stars in der AHL war?
KEITH AUCOIN: Es war eine Erleichterung, ohne Frage. Ich hatte ja schon vorher meine Chancen, habe den Puck aber einfach nicht versenkt. Die Tore sind für einen persönlich schön, aber viel wichtiger ist für mich, dass sie bedeuten, dass ich dem Team damit helfe. Ich war nie das Torjäger-Monster, aber es macht vieles leichter, wenn man trifft.
Trainer Don Jackson erklärte, dass Sie von sich selbst sagen, dass Sie schlicht nicht den besten Schuss hätten.
(lacht) Nun, er ist nicht so schlecht, wie oft getan wird. Aber ich bin sicher einer, der erst daran denkt, einen Pass zu spielen, bevor er sich dran macht, selber abzuziehen. Das sieht dann vielleicht manchmal so aus, dass ich Angst hätte, selber zu schießen. So ist es aber nicht. Ich wurde nur von meinem Vater so erzogen, dass man nicht egoistisch sein sollte. Nie. Nicht auf dem Eis, nicht im Leben. Und so spiele ich Eishockey. Ja, ich sollte manchmal selber den Abschluss suchen, ich mache das jetzt ein bisschen. Aber groß ändern werde ich mich sicher nicht mehr.
Ihr Sturmpartner Michael Wolf meinte, bei Ihren Pässen wären immer wieder Geniestreiche dabei, die selbst ihn als Mitspieler verblüffen.
Danke, Michael! Aber so extrem verblüfft kommt er mir auf dem Eis gar nicht vor. Wir harmonieren in unserer Sturmreihe sehr gut. Er, Jason Jaffray und ich.
Bei Ihnen war der Weg, dass Sie mal Eishockeyspieler werden würden, schon im Babyalter vorgezeichnet.
Ich wurde als Baby vor den Fernseher gesetzt, wenn die Boston Bruins spielten und nach der Familienlegende war ich immer vollkommen fasziniert und ruhig, wenn die Bruins spielten. Mit neun Monaten lernte ich laufen, kurz danach wurde ich mit Kufen aufs Eis gestellt. Mit meinem Sohn habe ich es ähnlich gemacht. Kaum, dass er laufen konnte, ging es mit dem Schlittschuhlaufen los. Ich dachte mir, meine Eltern haben es mit mir gemacht und es hat nicht geschadet, also mache ich es genauso.
Und? Ist er talentiert?
Sehr! Er hat jetzt schon einen besseren Schuss als ich! (lacht)
Es gibt noch mehr Anekdoten über Ihre frühkindliche Eishockey-Verrücktheit. Ihre Mutter wurde mal zum Schuldirektor gerufen.
(lacht) Da hat jemand meine Kindheit durchleuchtet. Ja, sie musste in die Schule, weil ich mein Alphabet anders gelernt hatte als alle anderen. Das B stand für mich für die Bruins und beim L habe ich wegen der Form des Buchstabens Hockeyschläger gesagt. Das waren für mich halt Eselsbrücken, wie ich mir das leichter merken konnte. Und es hat funktioniert, ich habe das Alphabet gelernt und kann es heute noch (lacht). Aber es zeigt, ich wurde geboren, um Eishockey zu spielen.
Ihr Sohn wurde in einem Schaltjahr ausgerechnet am 29. Februar geboren.
Ja, er hat nächstes Jahr seinen allerersten „echten“ Geburtstag. Er wird nach Geburtstagen immer sehr jung bleiben. Das Datum hat für ihn den Vorteil, dass er sich bisher aussuchen konnte, ob er lieber am 28. Februar oder am 1. März feiert. Beides wäre ihm am liebsten, Als er geboren wurde, war ich in der NHL bei den Washington Capitals, also ist er als Sohn eines NHL-Spielers auf die Welt gekommen. Meine Frau, die in Hershey war, hat mich angerufen, dass es soweit ist. Ich bin ins Auto gesprungen und die 90 Minuten zu ihr gerast. So kam ich noch rechtzeitig zur Geburt an. Ein unvergesslicher Tag, ein unvergessliches Erlebnis.
Sie gehörten dem Team der Carolina Hurricanes an, das den Stanley Cup holte, in den Playoffs spielten sie nicht, daher wurde auch Ihr Name nicht auf der Trophäe eingraviert.
Trotzdem war das einer der besten Tage meiner Karriere. Davon träumt man. Das Team hat sich auch sehr gut benommen. Sie haben wirklich uns allen Stanley-Cup-Ringe zukommen lassen, auch denen, die nicht gespielt haben. Es ist eine großartige Trophäe. Ich habe den Ring meiner Mutter gegeben, sie bewahrt ihn auf, hält ihn in Ehren.
Ihr allererster Treffer in der NHL gelang Ihnen ausgerechnet gegen Keeper-Legende Martin Brodeur.
Ja, ich musste bis zu meinem zwölften Spiel warten, bis mir das erste Tor in der NHL glückte. Dass es dann noch gegen so eine Ikone, einen Keeper, der seinen Platz in der Ruhmeshalle des Eishockeys sicher hat, passierte, machte das Erlebnis noch spezieller. Meine Teamkollegen haben den Puck eingesammelt und eine Plakette draus fertig lassen. Die hängt bei mir daheim an der Wand.
In Ihrer bewegten Karriere spielten Sie auch an der Seite von Russlands Ikone Alexander Owetschkin.
Er ist einer der Besten, der je Eishockey gespielt hat. Es war schon ein Vergnügen, ihm zusehen zu dürfen, mit ihm das Eis zu teilen, war einzigartig. Er ist so ein netter, freundlicher Kerl. Er arbeitet hart für seinen Erfolg, da kann man nur lernen. Dadurch macht er die Leute an seiner Seite besser. Er hat mich besser gemacht.
Ihre Karriere ist beeindruckend. Dabei hat man Ihnen wegen Ihrer Größe – Sie sind 1,73 Meter – nie viel zugetraut. Die Frage aller Fragen: Kommt es auf die Größe an?
Als kleiner Mensch sage ich: auf keinen Fall. Aber Spaß beiseite, das Spiel hat sich geändert, heute ist der entscheidende Faktor die Geschwindigkeit. Da haben die Kleinen Vorteile. Außerdem gibt es Tricks, mit denen man sich helfen kann.
Ihr Schläger ist extrem lang.
Stimmt. Als ich merkte, dass ich Probleme bekam, um die großen Verteidiger rumzukommen, habe ich mit immer längeren Schlägern experimentiert. Ich bin zwar nur 1,73 Meter, aber durch den Schläger spiele ich so, als wäre ich 1,85. Alles eine Frage der Technik.
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