EHC: Angst vor dem Matchball

Dem EHCMünchen fehlt nur noch ein Sieg zum Finale, doch Erfolgscoach Pat Cortina warnt: „Der Job ist noch nicht erledigt!“
RAVENSBURG Co-Kapitän Chris Bahen fuhr auf den Linienrichter zu und forderte nach dem 3:1-Sieg im vierten Halbfinalspiel der Best-of-seven-Serie (stand 3:1 für München) in Ravensburg mit unmissverständlicher Geste den Puck. Den Siegerpuck. Denn der erhält einen Ehrenplatz, so wie die anderen sechs Siegerpucks, die der EHC München in den Playoffs bisher sammeln konnte.
Die werden alle in einem Gestell – Schießscheiben beim Biathlon ähnlich – aufbewahrt. Der vom Coach bestimmte Spieler der Partie (am Donnerstag war es David Wrigley) darf den Puck dann an die Siegerstelle platzieren. „Es soll uns daran erinnern, was wir in der Saison schon erreicht haben“, sagt Stürmerstar David Wrigley, „und es soll uns daran erinnern, was wir noch zu leisten haben, was wir noch erreichen können.“
EHC München: Die Siegerpucks als Motivationshilfe
Denn noch fehlt ein Puck, um die Halbfinal-Serie zu beenden. Am Samstag (20 Uhr) hat der EHC in heimischer Halle nun den ersten von drei Matchbällen, um den entscheidenden vierten Sieg über die Schwaben zu erringen und damit den größten Erfolg der EHC-Geschichte klarzumachen, den Einzug ins Finale der 2. Bundesliga. Dort wartet Vorrunden-Meister Bietigheim, der sich in vier Spielen gegen Lausitz durchsetzte.
Doch bei aller Euphorie, es geht auch die Angst vor dem Matchball um. „Den letzten Sieg einzufahren, ist immer das Schwerste überhaupt“, sagt Topstürmer Dylan Gyori, „der Gegner steht mit dem Rücken zur Wand und wird uns das Leben zur Hölle machen. Und die eigenen Nerven können einem auch leicht einen Strich durch die Rechnung machen.“
EHC München: Cortina ärgert sich über "Spielstand-Fever"
Auch schon beim 3:1 in Ravensburg bekamen die Stars des EHC am Ende der Partie plötzlich Zitterhände, mutierten sie auch mal zu Eis-Ner-verln. „Wir haben nicht immer klug gespielt und durch eigene Fehler den Gegner fast wieder ins Spiel kommen lassen. Meine Jungs wurden von den eigenen Nerven behindert“, sagte der angefressene Trainer Pat Cortina. Er hat für diesen Zustand des Chaos’ auf dem Eis, der Schlacht mit den eigenen Nerven, einen eigenen Ausdruck geprägt: „Spielstand-Fever“. „Sie denken mehr an das Ergebnis und daran, was die Konsequenzen des Ergebnisses sind, anstatt den Job zu erledigen und dann das Ergebnis als logische Konsequenz des eigenen Spiels zu verstehen“, sagte Cortina.
Am Donnerstagabend, direkt nach der Partie, war er nicht sicher, wie er damit umgehen sollte. „Ich weiß im Moment nicht, ob ich die Erholung über alles stellen soll oder ob ich ihnen noch mal einbläuen muss, dass wir einen Job haben und dieser noch nicht erledigt ist. Ich weiß nicht, was die Mannschaft jetzt mehr braucht. Ich muss darüber schlafen.“
EHC München: "Die Fans sind unser siebter Mann"
Das tat Cortina und entschied sich dann gegen die kurze Kopfwäsche und für die lange Regenerationszeit. „Die Jungs wissen’s ja selber. Auch eine Serie zu beenden, muss man lernen“, sagt Manager Christian Winkler, der darauf setzt, dass diese Nachhilfestunde den Spielern von ganz vielen Leuten lauthals eingetrichtert wird. Winkler: „Die Fans sind unser siebter Mann. Schon in Spiel drei (2:1 i.V. am Dienstag, d. Red.) haben sie uns über jede Schwächeperiode geholfen. Da traust du dich als Spieler gar nicht, den Kopf hängen zu lassen.“ Die Fans als lautstarke Angstvertreiber.
Matthias Kerber