Don Jackson, der König der Statistiken
AZ: Herr Jackson, beim Spiel in Schwenningen lag Ihr Team bis ins letzte Drittel zurück, gewann dann aber noch 3:1. Wie wichtig sind solch hart erkämpften Siege für ein Team, das sich ja noch findet?
DON JACKSON: Extrem wichtig. Für mich als Trainer ist eine solche Partie extrem aussagekräftig, wichtiger als etwa ein 7:0, wie in unserem ersten Spiel gegen Schwenningen. Bei Rückständen, in engen Spielen entwickelt sich die Teamidentität und wichtig ist dabei, dass eine mentale Härte entsteht. Die formt Sieger.
Wie weit haben Sie das Team in diesem Sinne geformt?
Ein Team ist ein sehr sensibles Gebilde. Man muss aufpassen, dass die Spieler keinen falschen Ehrgeiz entwickeln. Es wird viel vom Selbstvertrauen der Spieler geredet. Ich rede lieber vom Selbstvertrauen des Teams. Das Eine kann das Andere bewirken und umgekehrt, aber wichtiger ist mir, dass das Team unabhängig vom Selbstvertrauen der Einzelnen eine eigene unerschütterliche Identität hat. Das gelingt einem nicht in jeder Partie, aber wir versuchen es.
Auffällig ist, dass Ihre alten Weggefährten – Mads Christensen und Richie Regehr aus gemeinsamer Berliner Zeiten, Evan Brophey und Garret Roe aus Salzburg – voll eingeschlagen haben.
Regehr ist ein Spieler, der dominiert, das merken auch die Fans im Stadion. Er hat eine Aura, die man spüren kann. Mads hat sein bestes Jahr als Offensivspieler, er ist so hungrig nach Erfolg, er macht die Spieler um sich herum besser. Garrett ist ein Leadertyp, er macht den Mund auf, wenn was nicht stimmt, er ist ein Vorbild, genau wie Brophey. Das sind die Eigenschaften, die zählen. Ich höre oft, was für Fähigkeiten ein Spieler hat. Manchmal ist die größte Fähigkeit, den einfachen Pass zu spielen. Viele Spiele werden durch verdeckte oder abgefälschte Schüsse entschieden. Ein dreckiges Tor zählt genauso viel wie der schönste Treffer des Jahres. Also braucht man Spieler, die den Puck aufs Tor bringen und andere, die keine Angst haben, sich vors Tor zu stellen, die Sicht zu versperren und dafür Schläge abzubekommen. Das gehört zu der mentalen Härte, von der ich sprach.
Die haben Sie auch selber. Nürnbergs Goalie Jochen Reimer hat Ihnen, nachdem Sie im Spiel gegen die Eistiger sieben Minuten vor Schluss den Torhüter vom Eis nahmen, attestiert, dass Sie „Eier so groß wie Medizinbälle“ hätten.
(lacht) Das hat er gesagt?
Wortwörtlich.
(lacht) Eigentlich ist es gar kein so großes Risiko, wie alle glauben. Ich arbeite viel mit den neuesten Statistiken aus Amerika. Die besagen: Wenn man in den letzten zehn Minuten hinten liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man noch gewinnt bei unter zehn Prozent. Gleichzeitig hat man die besten Chancen, eine Partie im Powerplay zu gewinnen. Wenn man also spät im Spiel ein Powerplay kriegt, warum nicht alles auf eine Karte setzen? Die Chance, dass du sowieso verlierst, ist groß. Und seien Sie sicher: Man kann damit voll daneben greifen. Mir helfen diese Statistiken aber beim Coaching. So kann man einen Nachteil in einen Vorteil umwandeln. Man muss nur das Wissen haben. Sie sehen: So groß müssen die Eier nicht sein. Es reicht, sich mit Statistiken zu beschäftigen.
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