Deron Quint: Russische Abenteuer und ewiges Lächeln

Deron Quint, Neuzugang des EHC, trifft auf seinen Ex-Klub Berlin. In der AZ spricht er exklusiv über Meteoriten und das Lenin-Mausoleum.
Matthias Kerber |
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Mit Trainer Don Jackson gewann er mit den Eisbären Berlin drei Mal den Titel (2006, 2008, 2009).
Rauchensteiner/augenklick Mit Trainer Don Jackson gewann er mit den Eisbären Berlin drei Mal den Titel (2006, 2008, 2009).

AZ-Interview mit Deron Quint: Der 40-jährige frühere NHL-Star spielte die letzten sieben Jahre in Russland, zu dieser Saison wechselte er zum EHC Red Bull München und zu Trainer Don Jackson.

AZ: Herr Quint, am Freitag geht es für Sie mit dem EHC Red Bull München nach Berlin zu den Eisbären, Ihrem Ex-Klub, mit dem Sie drei Mal Meister wurden. Ein sicher ganz besonderes Spiel für Sie.

DERON QUINT: Aber so was von! In der Minute, in der ich in München unterschrieben habe, habe ich auch sofort auf den Spielplan geschaut und überprüft, wann ich das erste Mal wieder in Berlin spiele – und seitdem fiebere ich der Partie entgegen. Es wird für mich sicher sehr emotional, denn ich habe nur die besten Erinnerungen an Berlin und die Eisbären, ich habe immer noch sehr viele Freunde da. Es wird nicht leicht für mich, aber es wird speziell.

„Donny ist der Grund, weshalb ich zum EHC gewechselt bin“

Was sind die prägendsten Erinnerungen an Ihre Zeit dort?

Da stechen zwei Dinge hervor. Zum einen die Meisterschaft, die wir noch in der alten Arena, dem Wellblechpalast gewonnen haben. Dieses Gebäude war einzigartig. Die Fans haben uns dermaßen nach vorne gepeitscht, wir haben uns damals gefühlt, als könnten wir vor dieser Kulisse gar nicht verlieren. Wenn es jemals einen echten Heimvorteil gegeben hat, dann dort. Und dann das erste Spiel in der neuen Arena gegen Augsburg, als ich noch das große Glück hatte, das allererste Tor dort zu schießen, damit Geschichte zu schreiben.

Den Puck haben Sie sicher behalten.

Ja, ich habe ihn eingesammelt. Aber kaum hatte ich ihn, wurde er mir wieder weggenommen. Dieser historische Puck wurde Philipp Anschütz geschenkt. Ihm gehören die Eisbären und die Arena. Da muss man sagen, dass er Heimvorteil hatte. (lacht) Definitiv, er ist da das Alphatier, sicher nicht ich.

Ihr Trainer damals: Don Jackson, der jetzt die Münchner trainiert.

Ja, Donny ist der Grund, weshalb ich zum EHC gewechselt bin. Wir hatten immer eine sehr spezielle Verbindung. Ich liebe sein Spielsystem, ich liebe, wie er sich als Trainer, als Mensch benimmt. Ich hatte mir immer gedacht, dass ich irgendwann nach Deutschland zurückkomme, dass es dann Berlin sein würde. Aber vor zwei Jahren haben wir uns in Garmisch getroffen, als unsere jeweiligen Teams dort Trainingslager hatten. Daher wusste ich, dass er jetzt in München ist. Ich habe dann meinem Agenten gesagt, dass ich für Donny spielen will.

Don schlägt Berlin.

(lacht) Ja, aber nur ganz knapp. Aber mir hat auch gefallen, was er hier aufbaut, es erinnert mich daran, wie es damals in Berlin war, als wir die vielen Titel geholt haben. Ich denke, das Gleiche kann in München passieren, dass wir zwei, drei Meisterschaften holen. Sie haben vor dem Wechsel sieben Jahre in Russland gespielt.

Wie war die Erfahrung?

Umwerfend. Ich kann es allen nur empfehlen. Es ist anders, sehr anders. Es ist nicht ganz leicht, die Russen wirklich kennenzulernen. Sie lachen in der Öffentlichkeit nicht viel. Sie haben eine wirklich harte Schale, aber nur, weil der Kern, den sie dahinter verstecken, ein sehr weicher ist. Wenn sie sich öffnen, dann erlebt man ungemein freundliche, hilfsbereite, warmherzige Menschen. Ich war mir nicht sicher, was mich erwarten würde – und ja, ich hatte ein bisschen Angst. Ich bin 40 Jahre alt. Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der man dazu erzogen wurde, die Russen zu hassen. Und sie wurden erzogen, uns zu hassen. Ich erinnere mich, wie ich ein Kind war und der damalige US-Präsident Ronald Reagan sagte, dass Russland das Reich des Bösen sei und es einen 3. Weltkrieg geben könnte. Ich kann nur sagen: Geht raus, lernt die Welt kennen, seht die Welt auch durch andere Augen, es wird euch als Mensch weiterhelfen.

Sie sind ein echter Weltenbummler geworden.

Ich genieße jede Sekunde und finde, dass es für meine Kinder das Beste ist, aus der eigenen kleinen Welt herauszukommen und andere Kulturen zu erleben. Die Geschichte in Europa ist so reich. Amerika wurde 1776 gegründet, die Länder hier gibt es Jahrhunderte länger. Allein durch die Städte zu laufen und in die tollen Kirchen zu gehen, ist Wahnsinn. Ich habe den besten Job der Welt. Die meisten Menschen müssen tausende Dollar ausgeben, um die Städte zu sehen, die mir mein Job eröffnet. Und ich kriege noch Geld dafür. Etwa Moskau. Eine 20 Millionen-Stadt! Der Rote Platz ist wunderschön und dort zu stehen an Lenins Grab, den Mann zu sehen, denn man uns Amerikanern als großen Feind dargestellt hat, ist eine schwer in Worte zu fassende Erfahrung.

Sie spielten zuletzt in Tscheljabinsk.

Die Stadt hat im Zentrum diese riesigen, breiten Straßen. Das hatte ich nicht verstanden, bis ich erfahren habe, dass dort ganz viele Panzer produziert werden und sie deswegen den Platz brauchen. Und dort hatte ich auch eine meiner denkwürdigsten Erfahrungen.

Den gewaltigen Meteoriteneinschlag im Jahre 2013?

Genau. Man sah diesen Vorhang aus Rauch und dann dieser Einschlag. Es war das Lauteste, was ich je in meinem Leben gehört habe. Alle hatten Angst, keiner wusste, was ist passiert. Geht die Welt unter?

Unsere Eishalle hatte einen Riss. Es ist schwer zu glauben, dass sich in unserer Zeit, in der alles überwacht wird, ein Meteor der Erde nähern kann und keiner weiß es. Es herrschte eine Atmosphäre, die Angst machte, man verstand nicht, was vorgefallen ist. Das war einer der zwei ganz prägenden Momente meiner Zeit dort.

„Wer in Angst lebt, lebt in seinem eigenen Gefängnis“

Und der zweite?

Das war der Flugzeugabsturz, bei dem 2011 die gesamte Mannschaft von Lokomotive Jaroslawl ums Leben kam. Ein unglaublich trauriger Moment. Und natürlich hat man sich seine Gedanken gemacht, denn wir verbringen so viel Zeit im Flugzeug, sind mit den gleichen Maschinen geflogen. Es hätte jeden von uns treffen können. Da stellt man sich die Frage, ob es das alles wert ist. Ich musste zwei Tage nach dem Unglück wieder fliegen. Es ist mir nicht leicht gefallen, das Flugzeug zu betreten. Aber wenn man alle Gefahren vermeiden will, muss man sich in seinem Zimmer einsperren. Das ist aber kein Leben, dann wird die Angst zum Gefängnis.

Sie ruhen extrem in sich selbst, sind Sie religiös?

Nicht wirklich. Ich weiß nur, wie privilegiert mein Leben ist. Ich habe den besten Job der Welt, ich habe zwei unglaubliche Töchter. Ich weiß, dass es Millionen, ja, Milliarden Menschen schlechter geht. Ich wache eigentlich immer mit einem Lächeln auf und versuche, es nie zu verlieren und andere Leute zum Lächeln zu bringen. Ein Tag, an dem man nicht lächelt, ist ein Tag, an dem man nicht lebt.

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