Der schüchterne Dolomiten-Vulkan

Wie EHC-Meistercoach Cortina, mitunter für Brüll-Attacken bekannt, wirklich gestrickt ist.
von  Abendzeitung
Pudelnass nach der Bierdusche: Pat Cortina bei der Meisterfeier des EHC München.
Pudelnass nach der Bierdusche: Pat Cortina bei der Meisterfeier des EHC München. © Rauchensteiner/Augenklick

Wie EHC-Meistercoach Cortina, mitunter für Brüll-Attacken bekannt, wirklich gestrickt ist.

MÜNCHEN Ein paar energische Schulterklopfer waren schon nötig, um Pat Cortina bei der Abschlussfeier des EHC zum Gang nach vorne zu bewegen. Dann jedoch trat er aufs Podium und präsentierte den Fans stolz den Meisterpokal. Was folgte, war eine konspirative Rudelbildung seiner Spieler, die in einer Bierdusche aus unzähligen Gläsern gipfelte. „Da wollen wohl einige keine neuen Verträge“, scherzte der naß gemachte Cortina.

Die Szene zeigt, wie sehr Cortina und seine Spieler in den letzten Monaten zusammengewachsen sind. Als der Italo-Kanadier sich am Anfang der Saison als bedingungsloser Konditionsschleifer hervortat, kamen einige EHCler zu Co-Trainer Peppi Heiß, Deutschlands Eishockey-Rekordnationaltorwart, und beklagten sich. Doch der meinte nur: „Boys, ich hatte Trainer in meiner Karriere, die zehn Mal schlimmer sind.“

Zudem ist Cortina – Typ raue Schale, weicher Kern – zuletzt viel zugänglicher geworden. Er hört auf seine Spieler. Seine gefürchteten Schrei-Attacken, die ihm den Spitznamen Dolomiten-Vulkan einbrachten, sind selten geworden. „Der Coach hat das sehr gut im Griff. Er beherrscht die Peitsche und das Zuckerbrot gleichermaßen gut“, sagt EHC-Kapitän Andreas Raubal, „und er ist eigentlich ganz anders, als viele denken.“ Den anderen Cortina sieht man immer dann, wenn er sich unbeobachtet glaubt. Denn Cortina fühlt sich im Rampenlicht nicht immer wohl. Er ist im tiefsten Inneren seines Herzens eher schüchtern.

Pat, der eigentlich Pascale heißt, wuchs als Sohn italienischer Einwanderer im kanadischen Montreal auf. Beide Elternteile arbeiteten in einer Fabrik, auch die Oma kümmerte sich um ihn und seine Schwester. Sein Onkel schenkte ihm im Alter von sechs Jahren das erste Paar Schlittschuhe. Damit war Cortina in Kanada ein absoluter Spätzünder. Er spielte in seiner Jugend Eishockey, Fußball und machte etwas Taekwondo. Er war immer ein stiller Junge.

Als er 23 war, entschied er sich, einen Trainerposten in Italien anzunehmen. „Ich bin diesen Schritt bewusst gegangen, da ich mich auch meinen eigenen Ängsten stellen wollte. Ich wollte, dass ich mich öffnen muss, dass ich meine Schüchternheit überwinden muss. Die Lebenslust der Italiener hat mir sehr gut getan, sie hat mir in meiner persönlichen Entwicklung geholfen. Ich war immer sehr emotional, hatte diese Gefühle aber immer in mir verschlossen“, sagt Cortina. In Italien hat er seine Lebensgefährtin, mit der er zwei Töchter hat, kennengelernt.

Pat Cortina – geboren in Kanada, gereift in Italien und nun in Deutschland arbeitend. „Der Kanadier ist sehr umgänglich, sehr unkompliziert. Der Italiener liebt das Leben, ist aber auch gerne ein Chaot. Der Deutsche ist mir, was die Vorstellung von der Arbeit angeht, persönlich am nähesten. Man nimmt hier die Arbeit ernst. So bin ich auch. Ich ziehe große innere Befriedigung daraus, über harte Arbeit zum Erfolg zu kommen“, sagt Cortina, „auch die Art, wie man Werte und Freundschaft pflegt, mag ich sehr.“

Cortina selbst hält weiter Kontakt zu seinen Freunden aus der Schul- und Universitätszeit. Freunden aus jener Zeit, als sich der schüchterne Pat nur wenigen offenbarte. Allein dies war schon ein Freundschaftsbeweis. „Freund, das ist kein Wort, das ich leichtfertig verwende“, sagt Cortina, „ich habe sie nie leicht gefunden, aber die, die ich habe, sind immer in meinem Herzen.“

Matthias Kerber

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