Der Joker sticht wieder
Der einst härteste Eishackler Deutschlands spielt im EHC-All-Star-Team. Ansonsten arbeitet er im Nähmaschinengeschäft und ist Papa geworden.
Garmisch-Partenkirchen - Der Mann hinter dem Tresen mit dem Kreuz eines Preisboxers und einer Frisur, die ihn für den Posten als Vorsitzenden des Wildschütz-Jennerwein-Fanklubs prädestiniert, hat Stricknadeln in der Hand und führt seinen Kunden vor, wie man eine perfekte Wintermützen macht. „Da müsst ihr anziehen und dann die Stärken der Nadel wechseln“, sagt er, „so machen wir das, so gefällt es uns.“
Wir, das sind der Markus Jocher, der einst gefürchtetste - weil härteste - Spieler in deutschen Eishockey, dazu seine Mama, die Elisabeth, außerdem Ehefrau Alexandra und seit dem 16. Dezember 2012 gehört der Moritz Jocher dazu. Drei Generationen Jocher sind in dem 85-Quadrameter-Laden “Nähmaschinen Jocher“ in garmisch vereint, den die Mama Jocher am 1970 eröffnet hat. Eigentlich wollte Jocher, Spitzname Joker, seinen Sohn Veit nennen. Das hätte gepasst, das klingt wie das englische Wort fight – kämpfen. Und Jocher war immer ein Fighter vor dem Herrn. „Aber das konnte ich dem Bua dann doch nicht antun“, sagt Jocher.
Sein Talent als Eishackler war immer überschaubar, aber sein Herz war immens. Jocher wurde von seinen Mitspielern geliebt, den Gegner gehasst - und den Fans verehrt. Wenn es rustikal wurde, war der Joker in seinem Element. Doch vor drei Jahren war Schluss mit den Checks, den Keilereien, den Schuhplattler-Tänzen nach Siegen. Da übernahm er das Familiengeschäft. „Die Mama hat mich gebraucht. Das ist wichtiger als Eishockey“, sagt Jocher. Die Mama bekam ein künstliches Hüftgelenk, demnächst ist die andere Hüfte dran. Und für seine Familie tut das Eismonster alles. Seit knapp drei Jahren gehört Alexandra dazu. Die hat er im Bierzelt kennengelernt und schon bald drauf in New York geheiratet. Und jetzt ist der Moritz da. „Das ist der Wahnsinn“, meint Jocher, „der Kleine wird es gut haben.“
Neonwolle ist sein Verkaufsschlager
Das hat der Jocher auch jetzt. Das Weihnachtsgeschäft lief gut, Neonwolle ist der Verkaufsschlager. Gelb, pink, grün, lila. „Das ist für Mützen“, sagt der 34-Jährige, „die Jugend hat das Brauchtum wieder entdeckt. Stricken, häkeln ist wieder in.“ Biathlon-Star Magdalena Neuner hat es vorgemacht. „Ich wollte nie irgendjemandes Knecht sein, sondern mein eigener Herr“, sagt Jocher, der ein Luis-Trenker-Shirt trägt.
So ist er nun Herr über Nähmaschinen, Topfhalter, Trachtenjancker, Wolle, Mützen, Tischdecken. Und die berühmten Jocher-Hosenträger. Die hat die Mama alle entworfen. 1000 Stunden Handarbeit stecken in so einem Stück, das um die 600 Euro kostet. Jocher: „Wenn Du die pflegst, halten die ein Leben lang.“
Ein Leben lang hält die Liebe des Jokers zu seinem Sport. Deswegen ist er nun am Sonntag (14.30 Uhr) beim Sternstunden-Spiel dabei, tritt im Team der EHC-Allstars an. „Mei“, sagt er schaut dabei vorsichtig über seine Schulter auf die Mama, „das ist zwar nix für die Ohren der Mama, aber mein Feuer brennt immer noch. Aber es geht halt nicht mehr. Auf keinen Fall will ich, dass die Leute sagen, was ist mit dem Jocher los? Früher hat er die Leute zusammengefahren, heute fährt er die Schlittschuh spaziere Mein Zeit als Profi ist vorbei.“
Diese Zeit – Jocher war drei Mal deutscher Meister (München, Köln, Frankfurt) - hat seine Frau gar nicht bewusst miterlebt, den Eishockeyspieler Jocher kennt sie nicht. Nur den Geschäftsmann, den Ehemann, den liebenden Vater. „Es ist auch besser, dass sie das nicht alles kennt und noch besser ist, wenn sie nicht alles glaubt, was sie hört“, sagt Jocher lachend.
Dann wendet er sich wieder der Wolle zu. Der Laden ist vom leichten Klappern der Stricknadeln erfüllt. Die Welt des neuen Jokers.
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