Der EHC Klitschko
München - Pierre Pagé stand in den Katakomben und tänzelte, einen Boxer imitierend, leicht rückwärts. Dann schüttelte er Kopf und Zeigefinger in rasender Ventilator-Geschwindigkeit. „Nein!”, sagte er: „Champions weichen nicht zurück. Ein Klitschko ist nicht Weltmeister, weil er im Rückwärtsgang boxt. Er geht nach vorne, er macht Druck. Er schlägt als Erster zu, er schlägt hart zu, er diktiert den Kampf. So wie es sich für einen Champion gehört!”
Page lässt deshalb Hochrisiko-Eishockey spielen, um seinen EHC Red Bull München zum Champion zu machen. Mit ihm will er den Titel nach München holen. Das hat man schon beim Saisonauftakt am Freitag gesehen, als der EHC die Hamburg Freezers vor 6142 Fans in der ausverkauften Halle mit 3:2 nach Verlängerung niederrang. Seine Spieler sollen ständig und in jeder Spielsituation die Flucht nach vorne antreten. „Man kann nicht in jedem Spiel perfekt sein. 1:0 gewinnt nur, wer keine Fehler macht. So spielen aber der FC Bayern selten, so spielt der FC Barcelona selten. Sie wollen – und machen – mehr Tore. Wir sind der Aggressor, wir wollen dem Gegner unseren Willen aufzwingen”, sagt der 65-Jährige vor dem Spiel bei der Düsseldorfer EG und deutet dabei einen Kracher-Haken an.
Der EHC Klitschko – dominant, aggressiv, vernichtend, erfolgreich – das ist die Idealvorstellung. Noch fehlen aber einige Bestandteile. So hat Wladimir Klitschko nach seinen vernichtenden K-o-Niederlagen gegen Corrie Sanders (2003) und Lamon Brewster (2004) lernen müssen, seine Deckung zu perfektionieren. Beim EHC hapert es da aber noch gewaltig an der Feinabstimmung, immer wieder wurde das Team ausgekontert. Es gab viel zu viele Überraschungsangriffe der Hamburger, die – um im Box-Jargon zu bleiben – auch den Knockout für den EHC hätten bedeuten können. „Wir machen sicher noch zu viele Fehler, aber unsere Energie gefällt mir”, sagte Pagé, „klar ist, wir lassen uns vom Gegner nicht rumschubsen.”
Der neue EHC spielt robust, setzt auch auf Härte und Einschüchterung. Matt Smaby, der gegen Hamburg das Kapitänsamt innehatte, sagte: „Wir spielen sehr aggressives Eishockey, wollen den Gegner so zwingen, dass er vielleicht Pässe spielt, die er nicht spielen wollte.” Mit seinen gewaltigen Checks, die ihm schon in der NHL ein Rumms-Bumms-Image eingebracht haben, sorgt Eis-Koloss Smaby (1,97 Meter/109 Kilo) für Highlights der besonderen, der zahnerschütternden Art. „Ich liebe es, physisch zu spielen”, sagt der zweifache Familienvater über seine Klitschko-Checks, „aber ich musste für die DEL mein Spiel gegenüber der NHL umstellen, da die Schiedsrichter hier sehr schnell pfeifen. Ich muss meine harten Checks entweder setzen, wenn der Schiri nicht genau schaut – oder ich muss darauf achten, dass sie nicht so wild aussehen, aber trotzdem genauso hart sind.”
Der EHC Klitschko eben.