Christian Winkler: "Made in Germany - das steht jetzt auch im Eishockey für Top-Qualität"

München - AZ-Interview mit Christian Winkler: Der frühere Eishockey-Torwart war lange Jahre Manager des EHC Red Bull München, ehe er zum Managing Direktor Sport Red Bull Hockey aufgestiegen ist.
AZ: Herr Winkler, die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft steht nach dem 3:2-Erfolg im Penalty-Krimi gegen die Schweiz im Halbfinale dieser WM in Lettland und trifft dort am Samstag auf Finnland. Auch wenn einige Spieler des EHC Red Bull München nicht dabei sind, der Verein hat nicht gerade wenig zum Erfolg beigetragen, oder was sagt der Managing Direktor Sport Red Bull Hockey?
CHRISTIAN WINKLER: Der jetzige Erfolg ist ein Spiegelbild dessen, was sich im deutschen Eishockey in den letzten Jahren getan hat und er hat viele Väter. Das beginnt in der Verbandsspitze, die es geschafft hat, dass der DEB und die Liga zusammengefunden haben, es geht weiter bei Marco Sturm, dem Vorgänger des jetzigen Bundestrainers Toni Söderholm, der dafür gesorgt hat, dass ein Umdenken eingesetzt hat, dass man nicht in ein Spiel oder Turnier geht und sagt, wir wollen nicht absteigen, sondern er hat diesen Siegeswillen implementiert. Und dann natürlich Söderholm selbst.
Der frühere Spieler des EHC Red Bull München, der dann beim Kooperationsverein SC Riessersee der Chefcoach war.
Ja, für den Toni gab es schon als Spieler nur eins: gewinnen. Und wenn das nicht geklappt hat, dann war er fuchsteufelswild. Aber: Er hat seinen Ehrgeiz immer mit diesem speziellen Charme verpackt, dass es eben nicht nur verbissen rüberkam, sondern er die Leute mit seiner Einstellung und seinem Anspruch mitgenommen hat.
Winkler musste Söderholm entlassen
Dabei haben Sie ihn selber mal entlassen.
Das war 2016, es war eines der schwersten Gespräche, das ich in meiner Karriere je führen musste. Denn Toni wollte unbedingt noch weiterspielen. Er war unglaublich enttäuscht, er ist dann aufgestanden und hat gesagt: Das war es noch nicht für mich. Ich habe ihn dann am nächsten Tag angerufen, um noch mal drüber zu sprechen. Da habe ich ihm gesagt: Toni, ganz offen, ich sehe dich eigentlich als Trainer. Denn er hat in der ganzen Welt gespielt, er wurde von den besten Coaches trainiert, und hat das immer alles aufgenommen und verinnerlicht. Er hat meinen Vorschlag in dem Moment gar nicht richtig wahrgenommen. Zwei Tage später hat er bei mir angerufen und gefragt, wie ich das gemeint habe. Wir haben dann drüber geredet und wieder zwei Tage später hat er mir ein Konzept um die Ohren gehauen, ich war irgendwo zwischen sprachlos und umgehauen, weil es so auf den Punkt war, er genau dargelegt hat, wo wir uns verbessern müssen und wie wir es können.
Er wurde Trainer beim SC Riessersee, dem Kooperationsverein des EHC.
Und auch das hat bewiesen, was für ein toller Charakter der Toni ist. Der Verein ging ja Pleite und musste dann in der Oberliga neu antreten. Aber der Toni hat nicht gezögert, sondern gesagt, dann machen wir eben in der Oberliga weiter. Er ist keiner, der sich nur die Rosinen rauspickt und der Rest ist egal. Söderholm will immer das Beste erreichen egal in welcher Situation.
Bundestrainer-Job abgesegnet
Und dann kam, als Marco Sturm das Angebot aus der NHL annahm, der Anruf des Verbandes bei Ihnen.
In meinem Display leuchtet Stefan Schaidnagel auf, der damalige Sportdirektor des Verbandes. Mir war gleich klar, was er wollte, ich war nur noch nicht sicher wen. Denn sowohl Toni als auch unser damaliger Co-Trainer Matt McIlvane waren Kandidaten für den Job. Wir wurden dann gefragt, ob wir bereit wären, Toni ziehen zu lassen und ich wurde auch gefragt, ob ich das Amt, die Aufgabe ihm zutrauen würde.
Das haben Sie.
Man hat da ja auch eine gewisse Verantwortung. Man lässt ja niemanden ins Feuer laufen, von dem man befürchtet, dass er verbrennt. Denn so eine Karriere, eine Seele kann auch schnell mal kaputt gehen. Aber Toni habe ich es sofort zugetraut - und dann haben wir ihn ziehen lassen, es war das Beste fürs deutsche Eishockey.
Was zeichnet Söderholm besonders aus?
Neben den Eigenschaften, die ich schon erwähnt habe, muss man einfach sagen, dass er ein unglaublicher kluger Kerl ist. Er versammelt keine Ja-Sager um sich, sondern Menschen, von denen er weiß, dass sie ihn und damit die Mannschaft am Ende weiterbringen. Deswegen hat er sich ja auch McIlvane wieder als Co-Trainer geholt. Der ist in meinen Augen eines der größten Trainertalente in Europa. Matt und Toni sie sprechen die gleiche Sprache, ergänzen sich fantastisch. Beide haben auch von Don Jackson so viel gelernt und der ist - und bleibt - das Nonplusultra im europäischen Eishockey.
EHC-Stars mischen die WM auf
Mit NHL-Star Dominik Kahun sorgt ein weiterer Ex-EHCler für Furore.
Dominik spielt auf einem anderen Level. Er macht jede Mannschaft der Welt noch besser. Man hat es ja gegen die Schweiz gesehen, er spielt diesen wichtigen Pass zum Ausgleich, er versenkt dann diesen so wichtigen Penalty. Was für ein Spieler. Und auch das zeigt, wie viel DNA unseres Klubs in dieser Nationalmannschaft steckt. Er hat damals noch mit Toni bei den Red Bulls zusammengespielt und Söderholm hat ihn damals ein bisschen unter seine Fittiche genommen. Und Matt ist fast so etwas wie Dominiks großer Bruder, die beiden sind supereng, haben eigentlich jede Woche mehrfach Kontakt.

Mit J.J. Peterka und Maximilian Kastner sind noch zwei weitere EHC-Spieler dabei.
Für J.J. war es am Anfang nicht leicht, weil Söderholm ihn da noch nicht in den Kader berufen hat. Aber er zeigt jetzt, was er kann, hat sein Tor gemacht. Das sind weitere wichtige Schritte auf der Karriereleiter. Und Kastner, er ist der perfekte Teamplayer, ein brillanter Unterzahl-Spieler. Wenn man den Kastner in so einer Rolle spielen lassen kann, dann weiß man, wie gut die Truppe sein muss. Und die deutsche Mannschaft ist gut. Sehr gut.
Was trauen Sie Deutschland jetzt bei dieser WM noch zu? Söderholm träumt von Gold.
Alles. Es geht jetzt gegen Finnland, die kennen uns, wir kennen die. Wir haben in der Vorrunde nur knapp mit 1:2 verloren und wir haben dabei Eindruck hinterlassen. Ich bin mir sicher, dass wir jetzt mit noch breiterer Brust und noch größerem Herzen in dieses Spiel gehen. Es ist auf jeden Fall so, das deutsche Eishockey muss sich vor keiner Nation der Welt mehr verstecken. Made in Germany - das steht auch im Eishockey jetzt für Top-Qualität. Und eines muss man auch schon jetzt klar sagen: Diese Mannschaft hat bereits Geschichte geschrieben. Diese Hingabe, diese Leistung, daran wird man sich noch lange erinnern. Was dabei auch ganz besonders im Gedächtnis bleibt: Diese Mannschaft ist genau das - eine Mannschaft. Und was für eine.