AZ-Interview mit EHC-Verteidiger Keith Aulie: "Meine Mama fehlt mir sehr"

AZ: Herr Aulie, Sie waren nach dem überraschenden Tod Ihrer Mutter über einen Monat bei der Familie daheim in Kanada, gibt es Ihnen ein Gefühl einer gewissen Normalität, dass Sie wieder zurück beim EHC Red Bull München sind?
KEITH AULIE: Ja, die Jungs, der Verein haben mich unglaublich in dieser Zeit, die sicher die schwerste meines Lebens ist, unterstützt. Ich bin stolz, ein Teil dieses Teams zu sein. Hier sind alle für einen da, wenn man am Boden ist. Es sind fantastische Menschen und ich bin Ihnen allen sehr dankbar. Und ja: Es tut gut, auch mal in der Kabine unbefangen lachen zu können, weil man mal für kurze Zeit vergisst, wie schwer das Herz eigentlich ist. Trauern ist ein Prozess, der eine lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Ich habe auf dem Flug hierher sehr viel geweint. Aber meine Mutter hätte nicht gewollt, dass ich dem Sport, den ich so liebe, jetzt den Rücken kehre. Mein großes Ziel ist es sie, mit allem, was ich tue, stolz zu machen. Ich bin sicher, sie schaut aus dem Himmel zu und vielleicht kann ich ihr ja den Meisterpokal mit nach Hause bringen. Sie wäre darauf sehr stolz gewesen.
Keith Aulie: "Der Tod meiner Mutter war ein großer Schock für uns alle"
Wer Sie kennt, weiß, dass Sie sicher für die anderen in dieser Phase der Starke waren, an dem sich alle aufrichten können, aber tief innen drinnen sieht es sicher anders aus.
Das ist zu hundert Prozent die richtige Umschreibung für alles, was gerade ablief. Der Tod meiner Mutter war ein großer Schock für uns alle, es hat unsere Herzen gebrochen. Es war mir sehr wichtig, für meinen Vater da zu sein, zu schauen, dass er irgendwie damit zurechtkommt. Wir haben in Kanada eine ziemlich große Farm, die mein Vater und ich bestellen. Ich wollte ihn damit jetzt nicht allein lassen. Ich musste erst sicher sein, dass es ihm als Mensch halbwegs gut geht und dass er mit all den Aufgaben fertig wird, ehe ich auch nur daran denken konnte, wieder nach München zu kommen. Und wie Sie richtig sagten: Man ist stark für die anderen, aber eigentlich fühlt man sich ganz und gar nicht stark. Zum Glück haben wir eine sehr starke Unterstützung von Freunden. Wenn man in Saskatchewan aufgewachsen ist, hält man zusammen. Das Land ist so dünn besiedelt, man sieht oft tagelang niemand, daher gehört es zu unserem Leben, dass man den anderen Menschen hilft, denn Hilfe ist oft sehr, sehr weit weg.
Haben Sie schon eine Entscheidung getroffen, ob Sie nach der Saison die Karriere als Eishockeyspieler beenden und sich ganz darauf konzentrieren, zusammen mit Ihrem Vater die Farm zu führen?
Nein, diese Entscheidung haben wir noch nicht getroffen. Wir haben für uns gesagt, dass ich jetzt diese Saison zu Ende bringe, danach werden wir uns zusammensetzen und besprechen, was für unsere Familien das Beste ist. Mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen. Wir werden alle unsere Zeit brauchen, mit dem Verlust fertig zu werden. Im Moment fühlt es sich bei uns allen an, als wäre das Herz gebrochen. Wir trauern und Trauer braucht seine Zeit - und die ist für jeden unterschiedlich. Die Mama fehlt mir sehr. Aber es ist auch gut, wieder hier in München zu sein, Eishockey zu spielen, andere Gedanken in den Kopf zu kriegen. Ich war über einen Monat nicht auf Schlittschuhen gestanden, aber ich fühle mich Tag für Tag mehr wie ich selber auf dem Eis.
"Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Pandemie bald im Griff haben werden"
Wie ist das Leben in Kanada in Zeiten der Corona-Pandemie überhaupt momentan?
Bei uns hat alles mit einer gewissen Verzögerung eingeschlagen. Dadurch, dass wir so ein weites, oft dünn besiedeltes Land sind, waren die Infektionszahlen lange Zeit niedrig. Das war gut, anderseits haben viele Leute so die Dringlichkeit der Situation nicht verinnerlicht. Die Zahlen sind zuletzt nach oben geschnellt. Wir sind im Lockdown, dann wieder aus dem Lockdown, dann wieder rein. Ähnlich wie in Deutschland. Es gibt viele Regeln - und als Kanadier vom Land ist es man nicht gewohnt, wenn einem viele Vorschriften gemacht werden (lacht). Aber zum Glück läuft es bei uns mit den Impfungen gut. Mein Vater, die Großeltern sind schon geimpft. Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Pandemie bald im Griff haben werden.
Zum Sport: Der EHC sah - von der 1:5-Pleite in Wolfsburg abgesehen - zuletzt wieder mehr wie er selber aus.
Das stimmt. Wir hatten gerade beim 3:8 in Iserlohn ein erschreckend schwaches Spiel. Danach hat jeder tief in sich geschaut und sich gefragt: Sind das wir? Wollen wir so sein? Die Antwort war klar: zwei deutliche Neins. Also haben wir ein paar Sachen geändert, jeder spielt wieder seine vorgegebene Rolle im System. Wir können mit unseren letzten Auftritten zufrieden sein, wir sind für die Playoffs parat. Uns Spielern wäre sicher lieber gewesen, die Playoff-Serien würden in fünf oder sieben Spielen entscheiden, wie es immer war und nicht wie jetzt in drei, aber so ist es eben. In diesen verrückten Zeiten ist nichts normal. Aber wir wollen auf jeden Fall den Titel holen.
Auch für die Mama.
Auch für die Mama, ja. Sie stolz zu machen, ist einer meiner größten Antriebe.