Aucoin: "Das war vollkommen verrrückt!"

Keith Aucoin, NHL-erfahrener Stürmer des EHC Red Bull München, spricht exklusiv in der AZ über die Spiele in der ausverkauften Olympiahalle, fremde Eishockeybräuche und die Oma als Babysitter.
AZ: Herr Aucoin, Sie haben mit Ihren 37 Jahren in Ihrer illustren Eishockey-Karriere schon Vieles erlebt. Wie beeindruckt sind Sie da noch von der Atmosphäre, die bei den beiden Spielen gegen Augsburg und Berlin in der Olympiahalle vor insgesamt 20 000 Fans herrschte?
KEITH AUCOIN: Wer da nicht beeindruckt ist, der muss aus Stein sein. Es ist eine unglaubliche Atmosphäre. Vollkommen verrückt. Ich habe in Nordamerika viel gesehen, aber so etwas gibt es da nicht. Bei uns feiern und jubeln die Fans, wenn Tore fallen, aber das die Zuschauerschar dich wirklich ein ganzes Spiel durchgehend anfeuert, all die Fahnen, dass die La-Ola-Welle durch das Stadion geht, das gibt es dort nicht. Ich kann nur sagen, ich habe die beiden Spiele jetzt in der Olympiahalle sehr genossen. Wir alle haben es genossen, so etwas erlebt man nicht allzu oft in der Karriere.
Hat man als Spieler überhaupt die Gelegenheit, das richtig aufzunehmen, was da für ein Spektakel abgeht?
Ein bisschen. Während des Spieles ist das natürlich nicht so einfach, aber es gibt ja auch immer wieder Unterbrechungen und da nimmt man sich, wenn es irgendwie geht, schon mal die Zeit, einen Blick ins Rund zu werfen und das aufzunehmen. Die Intensität, die Emotionalität, das war umwerfend. Und ich muss wirklich sagen, dass uns diese Energie weitergeholfen hat. Als Spieler ist man da wie ein Schwamm, man nimmt diese Energie auf, die Akkus scheinen sich so fast von selbst aufzuladen. Es war wirklich ein Spektakel und ein Riesenspaß. Auch die Show mit all den Pyros, wie die monströse Glocke zu unserer Musik von AC/DC vom Dach herunterkam, das war atemberaubend. Das kann man gerne öfter machen (lacht).
Sie haben sich die Show angeschaut?
Das haben wir! Was für ein Spektakel, das war ja fast wie ein AC/DC-Konzert. Ich liebe die Band, das ist meine Musik. Leider habe ich sie noch nie live erlebt. Das muss sich ändern. Aber das hier war zumindest ein kleiner Vorgeschmack. Meine Familie war auch im Stadion, der Kleine hatte ein bisschen Angst, als all das Feuer losging, aber sie haben es auch genossen. Es ist definitiv etwas, wovon man seinen Jungs daheim erzählen kann.
Und dann mussten Sie auch noch bei der Sieges-Raupe auf dem Eis mitmachen.
(lacht) Stimmt! Ich kannte so etwas gar nicht, dass man auf die Knie geht und dann rumrutscht, aber wir haben dabei sehr viel gelacht! Andere Länder, andere Eishockey-Sitten! Es waren aber auch zwei sehr große Siege für uns. Erst das 6:3 im Derby gegen den Erzrivalen aus Augsburg und dann am Montag der 3:0-Erfolg über den Tabellenführer Eisbären Berlin. Wichtige Spiele, wichtige Siege.
Plötzlich läuft es beim EHC, nachdem man monatelang ein Paradebeispiel für mangelnde Konstanz war. Auf Sieg folgte Niederlage, auf Pleite folgte Erfolg.
Das stimmt. Wir mussten uns erst finden. Ich denke, dass wir das getan haben und jetzt seit einem Monat richtig gut spielen. Alle haben langsam das System verinnerlicht. Und wenn wir unser System durchziehen, sind wir ein Team, das sehr schwer zu spielen – und sehr schwer zu schlagen ist. Das wird einfach immer besser.
Auch Sie kommen immer besser in Fahrt. Gerade beim Powerplay wirken Sie wie ein Dirigent, der seine Mitspieler in Position bringen will.
Das ist kein schlechter Vergleich. Ich bin nicht der größte und beste Schütze, deswegen passe ich den Puck lieber. Ich sehe es als meine Aufgabe an, Situationen zu schaffen, in denen meine Mitspieler aus den Gelegenheiten nur noch Kapital schlagen müssen. Unser Powerplay ist zwar statistisch noch nicht überragend, aber wir wachsen zusammen.
Dabei treffen Sie selber auch besser, gegen Augsburg gelang Ihnen ein Doppelpack, Sie sind auch ein Fachmann darin, in Unterzahl zu treffen – was Ihnen gegen die Panther auch wieder gelang.
Ja, das ist witzig. Wir haben vor dem Spiel ein paar Witze darüber gerissen, dass ich in Unterzahl treffen würde, denn ein erstaunlicher Prozentsatz meiner Treffer ist da passiert. Und dann gelingt mir das tatsächlich. So eigen ist die Welt des Eishockeys manchmal.
Wie schwierig war für Sie und Ihre Familie die Umstellung auf das Spiel hier, aber auch das Leben in Europa?
Sportlich war es für mich eigentlich ganz okay. Die Eisfläche in Europa ist natürlich deutlich größer, dadurch ist man auch weiter vom Tor entfernt, die Winkel sind etwas anders, daran musste ich mich sicher etwas gewöhnen und das Spiel dementsprechend umstellen. Und privat mussten wir uns erst an das Ladenschlussgesetz gewöhnen, dass die Geschäfte eben am Abend dichtmachen, dass sonntags geschlossen ist, dass über Weihnachten auch mal drei, vier Tage alles dicht ist. Man muss öfter in den Kühlschrank schauen als in Nordamerika, um zu wissen, ob man was kaufen muss (lacht).
Also kein Heimweh?
Nein, ich denke, meine Eltern haben mehr Sehnsucht nach uns, als wir hier nach der Heimat. Meine Mutter ist am Dienstag zu Besuch nach München rübergekommen. Dadurch haben wir an Silvester einen Babysitter und meine Frau und ich können mal allein ausgehen. Diesen Oma-Vorteil hat man nicht, wenn man weit weg von daheim ist (lacht).