DVV-Frauen vor EM-Krönung
Nach dem irren Einzug ins Endspiel der Heim-EM herrschte bei den deutschen Volleyballerinnen Ungläubigkeit. Weder Bundestrainer Giovanni Guidetti, Kapitän Margareta Kozuch noch all die anderen frisch gebackenen Finalistinnen konnten den furiosen Erfolg gegen Belgien erklären.
Berlin - Umso mehr wuchs bei dem Italiener die Zuversicht, im erträumten Endspiel von Berlin selbst gegen WM-Champion Russland einen der größten Triumphe der Verbandsgeschichte zu holen. "Mein Vertrauen ist so groß, dass wir es schaffen können", sagte Guidetti nach dem Marathon-Match. "Wie? Ich habe keine Ahnung."
Was fünf Sätze lang zuvor passiert war, war phasenweise auch schwer in Worte zu fassen. In den ersten beiden Durchgängen war eine vom Druck gehemmte Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) unfreiwillig zielstrebig auf das Ende des Titeltraums zugesteuert. "Wir wollten wahrscheinlich alle zu viel", meinte Mittelblockerin Corina Ssuschke-Voigt, deren Team im vierten Satz mit 14:17 zurücklag und sich schon so gut wie sicher im ungeliebten Spiel um Platz drei gegen Titelverteidiger Serbien sehen musste.
"Ich sage so oft, dass diese Mannschaft eine besondere ist", wiederholte Guidetti sein Lob auch nach der wilden Achterbahnfahrt der Gefühle gegen den sensationell bis ins Semifinale vorgedrungenen Weltranglisten-39. Belgien. "Und heute haben sie es mal wieder geschafft." Der Italiener räumte nach dem harten Stück Arbeit jedoch ein: "Das war der schwerste Sieg, den wir je hatten." Nur der immense Wille habe seine Spielerinnen vor dem Aus bewahrt.
Ob dieses 3:2 (18:25, 20:25, 25:21, 25:21, 15:11) nach einem 0:2-Satzrückstand nun seinen Spielerinnen zu viel Substanz geraubt hat oder nicht, interessiert den Mann aus Modena vor dem Gipfel gegen Russland nicht besonders. "Es kann alles passieren, sie können wie ein Zug durchgehen oder auch keine Kraft haben", sagte Guidetti. "Mein Gefühl ist aber, sie werden es schaffen."
Der Triumph gegen Russland in der Max-Schmeling-Halle wäre eine Sternstunde in der DVV-Geschichte. Bislang konnte nur die DDR 1983 und 1987 den EM-Titel holen. Vor zwei Jahren waren Guidetti und seine Schützlinge selbst nah dran. In Belgrad unterlagen sie aber mit 2:3 gegen Serbien. "Wir wollen Europameister werden", rief Ssuschke-Voigt aus. "Ich hoffe, dass unser Traum wahr wird", meinte eine sichtlich bewegte Anführerin Kozuch.
Letzte Hürde EM-Rekordsieger Russland! Gerade einmal zwei Sätze gaben die Power-Volleyballerinnen, bei denen in Jekaterina Gamowa sogar einer der großen Stars für das Turnier abgesagt hatte, bisher ab. Das 3:0 im Halbfinale gegen erstaunlich lethargische Serbinnen war für den 17-maligen EM-Gewinner mehr ein Spaziergang als ein Volleyballspiel unter Wettkampfbedingungen.
Nach ihrem Gänsehaut-Krimi ist den DVV-Frauen jedoch auch der klangvolle Name des Endspiel-Gegners egal. Mit dem Einzug ins Finale haben sie die WM-Qualifikation schon in der Tasche und wollen sich nun zu Europas Königinnen krönen. "Wir wollen jeden einzelnen Moment genießen", gab Guidetti die Marschroute aus.
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