Dumm kickt gut?!

Polens Profis sind 16 Mal schlauer als die deutschen– sagt Boniek! Hier kontert ein Wissenschaftler. Der promovierte Sozialwissenschaftler Guido Kellermann zum Thema „Lebenswelten von Amateurfußballern“.
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Nur Fußball im Kopf? Laut Polens Kick-Legende Boniek sind die Polen 16 Mal intelligenter als die DFB-Kicker.
imago Nur Fußball im Kopf? Laut Polens Kick-Legende Boniek sind die Polen 16 Mal intelligenter als die DFB-Kicker.

Polens Profis sind 16 Mal schlauer als die deutschen– sagt Boniek! Hier kontert ein Wissenschaftler. Der promovierte Sozialwissenschaftler Guido Kellermann zum Thema „Lebenswelten von Amateurfußballern“.

AZ: Polens Fußball-Legende Zbigniew Boniek will wissen, dass polnische Spieler 16 Mal schlauer sind als deutsche. Was halten Sie als Sozialwissenschaftler und Fußballer davon, Herr Kellermann?

GUIDO KELLERMANN: Oh, dann müssen die aber schon sehr schlau sein. Nach unseren jüngsten Erkenntnissen sind die Bildungsabschlüsse bei deutschen Fußballern sehr hoch. Hut ab, wenn die Polen noch schlauer sind. Boniek wollte sicher mit einem Augenzwinkern provozieren und versuchen, den Jungs Selbstüberzeugung zu vermitteln.

Außerdem hat Polen ja gegen Deutschland noch bei keinem Turnier gewonnen. Gilt also: Dumm kickt gut?!

Nun ja, möglich ist das schon, wenn du vor dem Tor nicht groß nachdenkst und entschlossener bist. Aber gerade bei den Anforderungen an das heutige Spielsystem ist es eher umgekehrt.

Also à la Christoph Metzelder, Real Madrid, der sein Abi mit der Note 1,8 gemacht hat?

Genau so. In der Art und Weise, wie er spielt, wirkt er körperlos. Er ist keiner, der grätscht, sondern den Ball abläuft und sich positioniert. Ein kreativer Positionsmanager. Nicht das Modell Berti Vogts, der Wadenbeißer. Dieses Auf-die-Toilette-begleiten.

Was ist heute anders?

Heute ist es eher der Typ Klinsmann, der Unternehmensberater mit Netzwerk: einer für die Verwaltung, einer für die Öffentlichkeitsarbeit. Da wird viel delegiert und einer bringt es zusammen und managt.

Es gibt Studien, die besagen: Je höher die Schulbildung, umso besser der Fußballer.

Das stimmt. Die Anforderung an eine gymnasiale Karriere ist anders. Man lernt, langfristig zu denken, was man auch im Sport braucht. Und man lernt, mit dem Konkurrenzdruck umzugehen, anders als auf der Hauptschule: Je höher man kommt, umso weniger Plätze sind da.

Also besteht die Gefahr, dass ein Fußballtalent auf der Hauptschule verlorengeht?

Wenn es nicht die richtigen Förderer hat, ja. Für ganz oben musst du halt psychisch stabil sein und „beißen“ können. Das lernt man in einer gymnasialen Karriere eben besser als nach der Hauptschule im Handwerk oder am Bau.

Zurück zum Wandel des Fußballs: Wenn dumm nicht gut kickt, schießt dann Haargel heutzutage die Tore?

(lacht) Es ist zumindest ein Indiz dafür, dass sich die Lebenseinstellung geändert hat, dass die Menschen experimenteller und ästhetischer geworden sind – gerade die Männer. Was auch mit der Bildung zusammenhängt. Es schadet der Leistung nicht.

Was hat Haargel mit der Bildung zu tun?

Es geht um den Wandel. Es reicht nicht mehr, eindimensional zu denken. In der Arbeitswelt nicht – und auf dem Fußballplatz darf man nicht mehr nur Verteidiger sein.

Welchen Zusammenhang gibt’s zwischen Lebensstil und sportlichem Niveau?

Die Leute sind kreativer, auch auf dem Fußballplatz. Es reicht nicht mehr, mit 15 eine Lehre zu machen und dann 45 Jahre in dem Beruf zu arbeiten. Heute hat man mehrere Jobs. Das ist spiegelbildlich für den Fußball: Grätschen alleine reicht nicht mehr. Es geht um den Ballgewinn und den direkten Spielaufbau.

Interview: Thorsten Klein

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