DSV-Adlerin Ulrike Gräßler: „Links schwenken, bitte“

Deutschlands beste Skispringerin über den Sport im Schatten der Männer, geringe Gagen und die Verbohrtheit der Olympia-Funktionäre.
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Deutschlands beste Skispringerin Ulrike Gräßler gewann Silber bei der WM 2009.
dpa Deutschlands beste Skispringerin Ulrike Gräßler gewann Silber bei der WM 2009.

Deutschlands beste Skispringerin über den Sport im Schatten der Männer, geringe Gagen und die Verbohrtheit der Olympia-Funktionäre.

AZ: Frau Gräßler, wo hatten denn Sie ihr Neujahrsspringen?

ULRIKE GRÄSSLER: In Baiersbronn.

Und das ist wo?

Im Schwarzwald, westlich von Tübingen. Wir haben unseren Wettkampf da zwar erst am 2. Januar, aber am Freitag hatten wir Training. Darum ist es für uns ja auch eine Art Neujahrsspringen.

Nur anders als bei den Männern, die in Partenkirchen vor zigtausenden im Stadion und Millionen an den Bildschirmen springen.

Ja, leider sind wir noch nicht so weit.

Wie viele schauen denn bei Ihnen zu?

Unterschiedlich, im Sommer hatten wir mal zwei-, dreitausend Zuschauer, in Schonach kommen auch schon mal einige Hundert, aber meistens sind es weniger.

Eher ein paar Dutzend?

Ja.

Und wie viel Preisgeld können Sie da verdienen?

Insgesamt sind das 1200 Schweizer Franken für die Plätze 1 bis 6. Bleiben dann so 200 bis 300 Euro für die Siegerin.

Hm, das ist nicht viel.

Ich verlange ja auch gar nicht viel. Bei uns springt eh keine mit, weil sie meint, sie könnte viel verdienen damit. Aber es kostet einfach alles viel Geld. Aus Gesprächen weiß ich, dass die Springerinnen aus den USA, Kanada und Japan Probleme mit den Reisekosten nach Europa haben, das ist sehr teuer. Ich hoffe sehr, dass sich die Situation für die Springerinnen aus Übersee in der Zukunft da wesentlich verbessert, damit die auch dabei sein können.

Hat denn wenigstens Ihnen persönlich Ihr Silber bei der WM-Premiere des Frauen-Skisprungs vor fast einem Jahr etwas gebracht?

Ach, ich denke doch. Ich habe inzwischen ein Management. Das kümmert sich jetzt professionell um Sponsoren, hat mir eine eigene Homepage eingerichtet. Die heißt www.ulrike-graessler.de. Dann bekam ich vom DSV den „Goldenen Ski" verliehen, auch darüber habe ich mich sehr Freude. Natürlich war es bitter, dass wir nicht zu den Olympischen Winterspielen in Vancouver zugelassen wurden, trotz unserer Petition beim IOC und unserer Klage vor einem kanadischen Gericht.

Selbst die Richterin dort musste einräumen, dass der Ausschluss von Olympia diskriminierend ist.

Ist es auch. Nachdem sie jetzt auch Frauenboxen zugelassen haben, sind wir die einzige olympische Sportart, die nur Männer machen dürfen. Aber trotzdem: Vielen Leuten ist dadurch überhaupt erst aufgefallen, dass es uns gibt – und dass wir eben nicht dabei sein dürfen. Auch wenn wir es verdient hätten.

Sie hatten ja schon viele Widerstände zu überwinden, legendär ist der Spruch von Gianfranco Kasper, dem Präsidenten des Ski-Weltverbands FIS, dass Skispringerinnen sich bei der Landung ihre Gebärmutter ruinieren würden.

Ja, das ist aber auch schon lange her. Das würde ich heute nicht mehr auf die Goldwaage legen. Denken Sie zurück an die Anfänge der Frauen im Biathlon, da war der Widerstand doch am Anfang auch gewaltig.

Da lästerten die Kritiker über die Flintenweiber.

Richtig. Und inzwischen haben die mit ihren Olympiasiegen und WM-Titeln eine eigene Erfolgsgeschichte geschrieben. Oder schauen Sie zu den Alpinen. Wenn die da mit 130 den Berg runterrasen, soll das vielleicht nicht gefährlich sein? Ich denke, dass jetzt auch bei der FIS ein Umdenken stattgefunden hat. Sonst hätten sie uns ja zur WM gar nicht erst zugelassen. In wie weit sie unseren Sport jetzt noch weiter antreiben und nach vorne bringen, liegt nicht in unseren Händen. Da gibt es aber sicher noch viele Möglichkeiten.

Warum nicht ein gemeinsames Neujahrsspringen, eine Doppelveranstaltung in Partenkirchen?

Klar, das wäre wunderbar. Da könnten wir zum Beispiel am Vormittag auf der kleineren 90-Meter-Schanze nebenan springen, nachmittags dann die Männer auf der großen. Wäre ja auch alles da, die TV-Sender müssten nicht extra anreisen, die wären ja schon da. Sie müssten nur ihre Kameras am Vormittag einmal nach links schwenken, bitte. Das wäre eine schöne Vision. Ich hoffe, dass der Weg bis dorthin nicht mehr allzu lang ist.

Wie geht denn Ihr persönlicher Weg weiter?

Ich schaue, dass ich 2010 erst einmal meine Ausbildung bei der Bundespolizei in Bad Endorf erfolgreich beende, bis dahin bin ich gut beschäftigt.

Schauen Sie dann im Februar bei Olympia überhaupt zu, wenn die Männer springen?

Klar, daheim vor dem Fernseher, ich drücke unseren Jungs die Daumen.

Keine Angst, dass es zu weh tut, weil Sie nicht dabei sind?

Nein. 2014 springen wir dann ja hoffentlich mit.

Interview: Florian Kinast

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