Drei Mal Gold - und ganz viel Blech: René Hiepen bewertet Ex-Kollegen
VANCOUVER - Exklusiv in der Abendzeitung: René Hiepen, der selbst Olympia-Reporter war, bewertet seine Ex-Kollegen. Wer hat journalistisches Gold verdient - für wen gibt's Blech?
Mit dem Ausklang der Olympischen Winterspiele am Sonntag geht ein unvergleichbarer Medien-Marathon zu Ende.Über 300 Stunden Live-Berichterstattung haben ARD und ZDF aus Vancouver übertragen. Beim Privatsender „Eurosport“ gab’s sogar während der 16 Tage jeweils 24 Stunden Olympia-TV nonstop.
Die Quoten waren gut (durchschnittlicher Marktanteil 19 Prozent), im Biathlon bei Lena Neuners Siegen sogar sehr gut (bis zu 9,75 Millionen Zuschauer).
Doch wie ist es um die Qualität der Reporter und Moderatoren bestellt? Exklusiv für die AZ nimmt der frühere TV-Star René Hiepen seine Ex-Kollegen unter die Lupe. Der 43-jährige Journalisten war 20 Jahre lang Fernseh-Sportmoderator und -kommentator (u.a. Premiere, ZDF). Bei den Olympischen Sommerspielen 2004 wurde er von den deutschen Spitzensportler mit dem „Herbert“-Award in Gold für die beste Live-Reportage ausgezeichnet. Hiepen arbeitet heute als Kreativentwickler neuer TV-Formate für die Berliner Agentur „Powerplay“ und berät und schult Führungskräfte im Umgang mit Medien.
Hier lesen Sie, wem Hiepen Gold, Silber und Bronze verleiht – und wer nur Blech verdient hat.
GOLD - Hiepens Olympiasieger
Siggi Heinrich (Eurosport): Eine Klasse für sich. Er redet als einziger Klartext, wenn die deutschen Biathlon-Damen in der Staffel ohne Neuner Gold verballern und zu Bronze schleichen. Mit Ex-Weltmeister Frank Wörndl (der beste Alpin-Experte) macht er jedes Skirennen zu einem TV-Spektakel. Emotional im richtigen Moment, fachlich exzellent!
Norbert Galeske (ZDF): Der stärkste Live-Reporter der Mainzelmännchen. Im Eiskanal rodelt er mit den deutschen Olympia-Helden so einfühlsam und sprachlich versiert die Bahn hinab. Genial. Als Eishockeykommentator zudem der Beste. Seine Nominierung auch als Fußballreporter zur WM ist längst überfällig.
Tom Bartels (ARD): Der Starkommentator des Ersten glänzt durch Souveränität, fachliche Brillanz und profitiert immer mehr von seiner großen Live-Erfahrung. Seine männlich sonore Stimme verzaubert die weiblichen Olympia-Fans.
SILBER
Peter Leißl (ZDF): Mr. Zuverlässig vom Lerchenberg. Top vorbereitet, ein Arbeitstier. Er weiß nahezu alles über die Sportler, will dies aber auch ständig vermitteln. Weniger wäre manchmal mehr. In der Loipe aber gelingt es ihm wie keinem anderen, uns an den Bildschirm zu fesseln.
Daniel Weiss (ARD): Der Eiskunstlaufreporter der ARD hat als Sportler nie eine olympische Medaille gewinnen können, aber am Mikro ist er einer der Besten. Enormes Hintergrundwissen, gutes Auge im entscheidenden Moment, treffende Kommentare. Dazu glänzt er stets mit einer fairen Beurteilung.
Kati Witt (ARD): Das schönste Lächeln der Fernsehwinterspiele. Man schaut und hört ihr einfach gerne zu. Und auch fachlich bringt sie die Dinge auf den Punkt. Als es nur zu Bronze für das deutsche Eiskunstlaufpaar reicht, kritisierte sie Trainer Ingo Steuer.
Wolf-Dieter Poschmann (ZDF): „Poschi“ polarisiert – aber er ist zweifelsohne einer der stärksten deutschen Live-Reporter. Er zieht uns in den Bann, Runde für Runde steigt sein Puls im Richmond Olympic Oval. Leider stand er beim katastrophalen Fehler des holländischen Trainers, der Topfavorit Kramer den Sieg kostete, zu lange auf der Leitung. Ohne die nervige Gunda Niemann-Stirnemann hätte es dennoch zu Gold gereicht.
BRONZE
Waldemar Hartmann (ARD): Er gehört einfach zu Olympischen Winterspielen im TV - er ist der „Gute-Laune-Biber“ der ARD. Übernachtet er eigentlich auch im Kufenstüberl?
Tom Scheunemann (ARD): Einer der Top-Newcomer bei der ARD. Tolle Stimme, eine echte Entdeckung. Als Eishockeyexperte glänzt er mit Fachwissen und Stehvermögen am Mikro. Er kommentiert jedes Live-Match, beim ZDF teilen sich drei Leute seinen Job.
Sven Voss (ZDF): Der Rookie des ZDF – seine 1. Nominierung als Olympia-Moderator ist eine Investition in die Zukunft. Er ist souverän und telegen. Aber ein bisserl mehr Profil und fachliche Kompetenz könnten nicht schaden. Er ist trotzdem erfrischender als Steinbrecher, KMH und Co.
BLECH - Hiepens Olympia-Flops
Bernd Schmelzer (ARD): Wenn er bei den Alpinen Wettbewerben seine Reporter-Kabine betritt, ist es ein bisschen wie bei AVATAR. Schmelzer entschwindet in eine andere Welt – seine maßlosen Übertreibungen und fachlichen Fehleinschätzungen sind deshalb auch eher was für fiktives Kino und nicht für großes TV. Gerd Rubenbauer fehlt so sehr bei diesen Spielen.
Aris Donzelli (ZDF): „Es wäre soviel wohltuender, wenn die „wilde Hilde" Gerg künftig mehr zu sagen hätte während der Rennen. Sie kommt deutlich zu kurz. Der nette Herr Donzelli plaudert sich mit inszenierter Begeisterung in einen gespielten Olympiarausch. Fehlbesetzung!
Ralf Scholt (ARD):Der Sportchef des HR begann schwach und konnte sich leider nicht steigern. Als Kommentator der olympischen Eröffnungszeremonie fehlte ihm die sprachliche Brillanz, er war überfordert. Im Richmond Oval verliert er das Duell gegen den Kollegen Poschmann deutlich. Schade – Scholt kann durchaus mehr.
Günther-Peter Ploog (ZDF): Der älteste Reporter am ZDF-Mikro redet und redet und redet – pausenlos. Er schimpft aufs deutsche Eishockey und prügelt die deutschen Stars mit Worten nieder. Er sollte besser auch mit sich selbst so kritisch sein und nach den Spielen für jüngere, talentierte Kollegen den Platz räumen.
Claus Lufen (ARD): Bemüht locker und so gnadenlos distanziert. Der Kölner versprüht kein olympisches Flair, wenig Begeisterung, wirkt langweilig.
Katrin Müller Hohenstein (ZDF): Das neue Top-Model im ZDF-Sport. Sportstudio, Fußball-Länderspiele, Olympia im Sommer und jetzt auch noch im Winter. Sie wirkt überfordert. Fachlich und inhaltlich liegt manches auf Eis.
Christoph Hamm (ZDF): Der Biathlon-Kommentator bemüht sich redlich, ist enorm fleißig. Doch er hat Angst, Fehler zu machen und verzettelt sich auf der Zielgeraden mit Zahlen und Statistiken. Leider werden seine Goldreportagen nicht in die TV-Geschichte eingehen.
Wilfried Hark (ARD): Während des silbernen Biathlonsprints von Magdalena Neuner brach die Tonleitung auf dem Reporterplatz zusammen und Kollege Christian Dexne brillierte spontan als Live-Kommentator. Großartig! Wilfried Hark konnte diese Begeisterung nie vermitteln.
Michael Steinbrecher (ZDF): Die angestrengt wirkenden und einfühlsamen Interviews gehören auf die Psycho-Couch. Kein anderer ZDF-Moderator ist so bemüht anders, nur um anders sein zu wollen. Selbst eine wetterbedingte Absage im Riesenslalom verkauft er wie eine top recherchierte olympische Exklusivmeldung.
Jens Weißflog (ZDF): Mit drei olympischen Goldmedaillen ist Jens Weißflog der erfolgreichste deutsche Skispringer aller Zeiten. Als TV-Experte wird er so viel Ruhm nie ernten. Seine Bewertungen sind extrem bieder, und sein Auftreten vor der Kamera verbindet man unweigerlich mit den 80er-Jahre-Motto-Shows. Fremdschämen.