Diskus-Werfer Harting: Nur das Bett ist zu kurz
Diskus-Goldfavorit Robert Harting wirft nur einmal und zieht ins Finale am Dienstag ein. Der Berliner gibt zu: „Hier wird viel gepokert”
LONDON Er kam, warf – und packte ganz schnell wieder seine Sachen. Nur einen Versuch benötigte Goldfavorit Robert Harting, um seinen Konkurrenten in der Diskus-Qualifikation anzuzeigen: Ich bin da! Ich bin bereit. Beim Showdown am Dienstag im Olympiastadion (20.45 MESZ) will Harting endgültig zum „King im Ring” aufsteigen: Der Olympiasieg in London wäre sein drittes Gold in nur 365 Tagen.
Der erste Auftritt des 2,01 Meter großen und rund 130 Kilo schweren Riesen aus Berlin dauerte nur wenige Sekunden. Harting stellte sich in den Ring, drehte sich eineinhalb Mal um die eigene Achse, dann schleuderte er seinen Diskus leicht und locker auf 66,22 m. Finale erreicht. Der erste Schritt ist getan.
„Ich bin sehr zufrieden”, sagte der 27-Jährige, nur das Knie schmerzt. Vor dem Finale will sich Harting noch einmal behandeln lassen. Zudem müssen die Rückenwirbel gerichtet werden. „Das Bett ist 30 Zentimeter kürzer als zu Hause”, sagte Harting, „aber ich habe schon deutlich schlechter geschlafen.” Der Doppel-Weltmeister und Europameister lieferte in der Qualifikation den überzeugendsten Auftritt aller Medaillenkandidaten ab. Litauens zweimaliger Olympiasieger Virgilijus Alekna, neben Harting einziger 70-Meter-Werfer in diesem Jahr, zitterte sich mit 63,88 Metern ins Finale. Polens Europameister von 2010, Piotr Malachowski, warf nur 64,65 Meter. Peking-Olympiasieger Gerd Kanter aus Estland warf in seinem dritten Versuch mit 66,39 Meter zwar als Einziger weiter als Harting – er hatte aber zuvor schon vor dem Aus gestanden.
Harting, der Sportsoldat und Kommunikations-Student, wollte die Ergebnisse aus der Qualifikation ohnehin nicht überbewerten. „Hier wird noch viel gepokert. Viele möchten nicht alles zeigen”, sagte Harting, „ich bin sicher, dass Malachowski eine gute Rolle spielen wird.” Trotzdem geht Harting als Top-Favorit in den Ring. Und die hohe Erwartung geht nicht spurlos an ihm vorbei. „Ich habe mich selbst sehr unter Druck gesetzt, auch von außen ist der Druck ja nicht neu”, sagte er, „das ist schon erdrückend, aber auch ein positives Gefühl. Man muss gucken, dass man alles kanalisiert, um nicht kaputt zu gehen.”
Alles in diesem Jahr hat der Berliner auf diesen Abend ausgerichtet, auf das Finale. „Was soll ich um den heißen Brei herumreden? Ich habe 365 Tage für drei Titel. Zwei habe ich jetzt”, hatte der Weltmeister nach seinem EM-Titel von Helsinki gesagt, „in London habe ich die ganz große Chance auf den dritten. Ich erwarte das einfach von mir.” Und sein Auftritt in der Qualifikation hat gezeigt: Harting ist bereit.
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