Die Zukunft ist silbern

Mit viel Pathos kündigt Mercedes die Rückkehr des Silberpfeil-Kultes an. Ex-Rentner Schumacher will einen WM-Titel beisteuern.
Sieh da, die Mensch gewordene Maschine, der Rennfahrroboter, macht jetzt sogar Witze: „Jetzt müssen wir nur noch Bundeskanzlerin Angela Merkel überzeugen, dass sie die Farben der Deutschland-Flagge ändert“, sagt Michael Schumacher. Statt Schwarz-Rot-Gold sollten künftig bitteschön Schwarz-Rot-Silber als deutsche Farben gelten.
Dieses Projekt, das gestern in Stuttgart vorgestellt wurde, ist von nationaler Bedeutung – glauben zumindest die Leute bei Mercedes. Es geht um Ruhm, Ehre, Arbeitsplätze. Es geht um „ein bisschen Nationalstolz, den wir zeigen wollen“, sagt Dieter Zetsche, der Vorstandsboss des Unternehmens.
Darunter machen sie es in Stuttgart offenbar nicht mehr, seit „zwei der wenigen Weltstars, die wir in Deutschland haben“ – auch das sagt Zetsche – beschlossen haben, sich zusammenzutun, um der Konkurrenz das Fürchten zu lehren. Die zwei Weltstars, von denen Zetsche spricht, sind Michael Schumacher und Mercedes. Zusammen mit Nico Rosberg, Schumachers neuem Fahrerkollegen, bilden sie die neue „deutsche Nationalmannschaft in der Formel1“, wie Zetsche sagt. Eigentlich passt diese kleine Dosis Deutschtümelei so gar nicht zu einem Konzern, der sich ansonsten als Global Player sieht, zumal die Präsentation im Stuttgarter Mercedes-Museum ansonsten sehr schlicht geraten ist. Irgendwann schieben vier Azubis einen Formel-1-Flitzer auf eine Bühne, Schumacher und Rosberg im Schlepptau. Dann ein paar Fotos, das war’s. Keine Band, die groß aufspielt, sogar auf pompöse Musikeinspielungen hat man verzichtet.
Zumal Mercedes auch nicht das neue Auto vorstellt, mit dem Schumacher in Zukunft über die Rennstrecken rasen soll. Es ist lediglich eine umlackierte Version des letztjährigen Weltmeisterautos von Brawn GP, das von Mercedes aufgekauft wurde, um zum ersten Mal seit 1954 als eigenständiges Team in der Formel 1 an den Start gehen zu können. Das neue Auto wird erst nächsten Sonntag fertig.
Für den Pathos sorgen nur Zetsches Worte – und die Lackierung des Boliden. Die erinnert nämlich mit ihrem matt glänzenden Silberton frappierend an die alten, legendären Silberpfeile der 30er und 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Und darum geht es Mercedes – um die Wiederauferstehung der Silberpfeile und alles, was damit zusammenhängt.
In den 30er Jahren zeigten die Silberpfeile, was deutsche Ingenieure schaffen konnten, später standen die zigarrenförmigen Boliden und ihre waghalsigen Fahrer für den Wiederaufbau, für das Wirtschaftswunder. Bis 1954 kamen aus Stuttgart die besten Rennwagen der Welt.
Und nun, in der Krise, soll Schumi eben die Kohlen aus dem Feuer holen. Darum Pathos, darum Deutschtümelei.
Für Mercedes, und nur für Mercedes, hat Schumacher sein drei Jahre währendes Dasein als Vollgas-Rentner unterbrochen. Die nächsten drei Jahre möchte der mit sieben errungenen Formel-1-Titeln erfolgreichste Rennfahrer, den es je gab, wieder mit Vollgas im Kreis fahren und den Konkurrenten seine Abgase gegen die Visiere blasen.
Als er 2006 zurücktrat, gab er zu, geistig und körperlich vollkommen ausgebrannt zu sein. Nun hat er, wie er sagt, seine Batterien wieder aufgeladen. „Ich sprühe vor Energie, ich bin heiß darauf, dass es endlich wieder los geht, endlich wieder mit einem Formel-1-Auto auf die Strecke zu gehen“, meint er. Der Ehrgeiz hat ihn wieder gepackt.
Aber es ist nicht nur das: „Ich komme zurück, weil ich die Möglichkeit bekomme, mit Mercedes in der Formel 1 zu fahren und um die Weltmeisterschaft zu kämpfen“, sagt er. Und ausnahmsweise dürfte dieser Satz tatsächlich so gemeint sein und nicht nur irgendwelchen PR-Zwängen geschuldet sein.
Vor 20 Jahren lernte Schumacher in einem Mercedes-Sportwagen sein Handwerkszeug, danach musste er das Unternehmen verlassen. Mercedes war damals nicht in der Formel 1, und als die Stuttgarter 1994 an der Seite der britischen Sportwagenschmiede McLaren in die Königsklasse des Motorsports einstiegen, war Schumacher gerade dabei, seine erste Weltmeisterschaft zu gewinnen. Zum Weltstar und Mythos wurde Schumacher aber bei Ferrari. „Ein Großteil meiner Geschichte und meines Herzens sind noch rot“, sagt Schumacher gestern. Aber seine Zukunft ist silbern. Schließlich hängt das Wohlergehen einer ganzen Nation davon ab. Zumindest ein bisschen.
Filippo Cataldo