Die wilden Siebziger: Legenden-Treffen der deutschen Basketballer

Die deutschen Basketballer treffen vor der Heim-EM auf die Helden der Spiele von 1972. Es war eine andere Ära. "Am Abend vor unserem ersten Spiel haben wir in der Disco noch ordentlich die Puppen tanzen lassen."
von  Thomas Becker
Zwei Basketball-Ikonen: Holger Geschwindner, Kapitän der deutschen Mannschaft bei den Spielen 1972, mit Norbert Thimm (r.).
Zwei Basketball-Ikonen: Holger Geschwindner, Kapitän der deutschen Mannschaft bei den Spielen 1972, mit Norbert Thimm (r.). © Martin Vogel | FCBB

München - Dass diese 70er-Jahre eine ziemlich wilde Zeit waren, hat man selbst als Teenager nur am Rande mitbekommen, später dann aber umso mehr gestaunt über all die Geschichten, die sich damals so zugetragen haben sollen. Insofern überraschen einen Sätze wie der hier eigentlich nicht wirklich: "Am Abend vor unserem ersten Spiel haben wir in der Disco noch ordentlich die Puppen tanzen lassen."

FC Bayern Basketball hat eingeladen

Das klingt schon sehr lustig, eher nach Bezirksklasse - und gar nicht so als würde das der Kapitän der deutschen Basketball-Nationalmannschaft vor dem Auftaktmatch bei den Olympischen Spielen 1972 sagen: Holger Geschwindner, der legendäre Besser-Macher eines gewissen Dirk Nowitzki.

Es ist schon einer eher spezielle Veranstaltung, dieses vom FC Bayern Basketball veranstaltete "Summer Evening Event" am Samstagabend in einem schicken Hotel im Münchner Norden.

Die Idee dahinter: Als Einstimmung auf das WM-Qualifikationsspiel im Audi Dome gegen Slowenien und auf die in wenigen Tagen beginnende Heim-EM hat man nicht nur das aktuelle Nationalteam, sondern auch die Olympia-Mannschaft von 1972 eingeladen. Gekommen sind immerhin sieben Mann, von denen sich so mancher für das gemeinsame Foto mit den zwei Treppenstufen hoch zur Bühne schon schwer tat.

Ex-Profi Norbert Thimm spricht von "einmaligem" Abend

Klar, die Herren sind halt allesamt satt in den 70ern. Center Dietrich Keller, mit 2,18m wie so oft der größte Mann im Saal, ist sogar schon 78. Gschwindner sieht mit seinen 76 Jahren dagegen noch so fit und drahtig aus, als würde er lieber ein paar Bälle werfen anstatt sich auf eine Bühne zu setzen.

Sogar ein Sakko hat er zur Feier des Tages übergezogen, was ihm wohl nicht so oft passiert. Die großen Karos passen dann auch nicht so recht zum kleinkarierten Hemd, aber so was ist herzlich egal an diesem Abend, über den sein ehemaliger Mitspieler Norbert Thimm sagt, dass er schlichtweg "einmalig" sei.

Deutsches Team erreichte damals immerhin Platz zwölf

Wohl wahr. Anders als bei den vergleichsweise weltberühmten Fußballern kräht in der Regel kein Hahn nach Deutschlands besten Basketballern bei Olympia 1972. Gut, das Team landete am Ende auch nur auf Rang zwölf, aber allein bei diesem ja doch sehr speziellen Turnier in der Rudi-Sedlmayer-Halle dabei gewesen zu sein, war für die samt und sonders aus Studenten und Amateuren bestehende Truppe eine Riesen-Geschichte.

"1969 bin ich vom MTV Gießen zum USC München gewechselt", erzählt Geschwindner, "da hatte ich vor den Mannschaftskollegen natürlich einen Vorsprung und wusste, wo in der Stadt was los ist. Damals gab's die ersten großen Discos: Ins Blow up gingen 3.000 Leute rein! Bis zum Attentat am 5. September war das die größte Party aller Zeiten."

Kollege Thimm, damals der erste deutsche Basketballer, der als Profi einen Vertrag bei einem ausländischen Klub erhielt, der fügt noch an: "Und nach Feierabend haben wir schon den ein oder anderen Spaziergang im Englischen Garten gemacht. . ."

Alle Spieler waren Amateure

Zwinker, zwinker - es müssen herrlich Zeiten gewesen sein. Mit Geld verdienen hatte das aber nichts zu tun, erzählt Thimm. "Wir bekamen 150 Mark Sporthilfe, in Form von Essen. Ich hatte vor Olympia schon einen Profi-Vertrag von Real Madrid in der Tasche, durfte aber nichts davon erzählen. Wir waren ja alle Amateure."

Bei Auswärtsspielen der besten Bundesliga-Teams sah das laut Geschwindner so aus: "Da für Hotels kein Geld da war, haben zwei von uns, wenn wir in Leverkusen gespielt haben, bei Kuprellas im Ehebett gepennt." Dieter Kuprella, der Nationalmannschaftskollege.

Uli Hoeneß spielte damals schon beim FC Bayern

Dass Geschwindner damals ausgerechnet zum USC München ging, war übrigens für die Basketballabteilung des FC Bayern von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Vor dem USC trainierten in der Halle an der Dachauer Straße, in der heute immer noch Basketball gespielt wird, in den Wintermonaten nämlich die Kicker des FC Bayern, darunter auch ein gewisser Uli Hoeneß. Geschwindner erinnert sich: "Ab und zu haben wir dann ein Spielchen gegen die gemacht - Hallenfußball, man durfte mit Bande spielen. Da sahen die nicht gut aus. . ."

Ein großer Basketball-Fan ist Hoeneß dennoch geworden, schon damals, in den wilden 70ern. . .

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