Die verpasste Chance: Da war mehr drin

Bolts surreale Weltrekorde, überraschend viele Medaillen für das deutsche Team - und doch kann man die Leichtathletik-WM in Berlin nicht als großen Erfolg bezeichnen.
Was bleibt nach neun Tagen Leichtathletik mit 1984 Athleten aus 201 Ländern? Die surrealen Weltrekord-Shows von Usain Bolt, klar. Was noch? Die Bilder der hüpfenden Medaillen-Kolosse Bartels, Kleinert, Heidler, Nerius, Harting. Kurios: die Posse um die 800-Meter-Läuferin, von der man nicht weiß, ob sie doch eher ein 800-Meter-Läufer ist. Markant: die Auftritte von Hochspringerin Ariane Friedrich und ihrem Kollegen Raul Spank. Sensationell: die letzte Runde von Siebenkämpferin Jenny Oeser. Traurig: die Abteilung Stabhochsprung.
Auch nicht schön: die vielen leeren Sitze im Olympiastadion. Marketing-Experte Helmut Zastrow diagnostizierte: Ein größerer Schub für die Sportart sei verpasst worden, die Leichtathletik verliere kontinuierlich an Bedeutung. Die Präsentation und den Zeitplan bezeichnete Zastrow als „unzeitgemäß“. Die WM müsse verkürzt, die Dramaturgie verändert werden. Die Wettkämpfe seien lieblos durcheinander gewürfelt. „Der Zuschauer muss schneller eine Entscheidung sehen können“, sagte Zastrow. „Der Weltverband hinkt hier leider um über 20 Jahre hinterher.“ WM vorbei, Chance vertan.
Das letzte Wort hat natürlich Usain Bolt. Er spricht sicher vielen aus dem Herzen: „Ich bin erschöpft, aber froh, dass es so zu Ende gegangen ist. Ich bin müde.“
Thomas Becker