Die Ukraine verhaut einen Sandsack

Sport als Nebensache: Der K.o. von Klitschko gerät zur politischen Inszenierung. „Das war ein Sieg für meine Heimat“, sagt der Weltmeister. Bruder Vitali darf sich als Staatsmann präsentieren.
von  Matthias Kerber

OBERHAUSEN Der ungezeichnete, da so gut wie ungetroffene Weltmeister Wladimir Klitschko stieg auf die Ringseile, ließ sich von den 12000 Fans in Oberhausen feiern, um seine Schultern hatte der 38-Jährige die blau-gelbe ukrainische Flagge geworfen. „Das war ein Sieg für meine Heimat, die Ukraine. Für die Menschen dort, damit sie zumindest für kurze Zeit von dem Leid, den Sorgen, den Ängsten abgelenkt werden“, sagte Klitschko nach der Titelverteidigung gegen den hoffnungslos überforderten Pflichtherausforderer Alex Leapai.

Wie einseitig – und sportlich unsinnig – dieser Kampf war, zeigt die Schlagstatistik, in den fünf Runden bis zum K.o. landete Klitschko 147 Treffer. Leapai traf 10 (!) Mal. Der australische LKW-Fahrer war mehr menschlicher Sandsack als Gegner. Wladimir konnte sich in dem Fight, bei dem RTL-Kommentator Tobias Drews Leapais Darbietung als „erbärmlich“ titulierte, als Sandsackbesieger feiern lassen.

Der Sport hatte am diesem Abend, an dem bei RTL bis zu 8,64 Millionen Zuschauer vor dem Fernseher dabei waren, sowieso nur eine Nebenrolle. Das Event wurde als blau-gelbe PR-Veranstaltung inszeniert. Es wurde geworben, um die Demokratiebewegung in der Ukraine, die seit Wochen schwere Konflikte mit Russland austrägt.

Schon beim Trailer zu Beginn wurde aus Wladimirs Gesicht das Wappen der Ukraine, der Dreizack Tyrsub projiziert, dazu Bilder der Protestes auf dem Kiewer Maidan. Seine Schwägerin Natalie, Ehefrau von Vitali, der Ende 2013 seinen WM-Titel niedergelegt hat und sich nun ganz auf seine Politik-Karriere in der Ukraine konzentriert, sang – natürlich in einem blau-gelben Kleid – die ukrainische Nationalhymne.

„Vergehen werden unsere Feinde, wie in der Morgensonne Tau. Und wir, Brüder, werden bewohnen, ein freies Land, das uns gehört. Unsere Seelen, unsere Körper für die Freiheit geben wir. (...) Kein Fremder soll herrschen in unserem Land“ heißt es da. Wladimirs Verlobte, die US-Schauspielerin Hayden Panettiere winkte brav mit der ukrainischen Flagge, Bruder Vitali nutzte die Veranstaltung, um ein bisschen Nachhilfe in ukrainischer Politik zu geben. „Es gibt keinen Grund für einen Krieg. Alles wird künstlich aufgeblasen von Russland. Es gibt keine Sprachprobleme, wir verstehen einander sehr gut, jeder spricht ukrainisch, jeder spricht russisch. Es gibt keine Spaltung der Ukraine.“

RTL zeigte noch ein einstündiges Porträt über den Politiker Vitali Klitschko. Er zeigte sich nachdenklich. „Ich weiß nicht, ob ich Fehler gemacht habe. Manche Frage, die ich mir stelle, ist für mich noch immer unbeantwortet.“ Es war ein Kampfabend im Zeichen der Ukraine, der Politik, der Sport diente als Vehikel. „Der Sport ist meine Bühne“, sagte Wladimir. Die nutzte er ausgiebig. Der Sport hätte den Abend auch nicht getragen, zu schwach war Leapai, der als Gegner ein Muster ohne Wert war.

 

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