Die Traumwelt bröckelt

Köln - Es war ein „Traumleben“, das sich Erik Zabel aufgebaut hatte. Ein Traumleben aus Leugnen und Lügen, das der Radsprinter führte – und das nach seinem nächsten Dopinggeständnis nun wohl endgültig zusammenbricht. Zabel, der von 1993 bis 2005 für das Team Telekom fuhr und sechs mal bei der Tour de France mit dem grünen Trikot als bester Sprinter Paris erreichte, ist den Posten als Sportdirektor von zwei der wichtigsten deutschen Radrennen ist der 43-Jährige los, andere Partner könnten bald das Weite suchen.
Die ARD prüft sogar juristische Schritte gegen Zabel. „Wir haben uns am Wochenende in einem ausführlichen Gespräch mit Erik Zabel über dessen Zukunft als Sportdirektor unserer beider Veranstaltungen ausgetauscht. Darin hat er angeboten, seinen Posten niederzulegen. Wir sind diesem Angebot nachgekommen“, sagte Frank Bertling, Geschäftsführer der für die Planung der Hamburg Cyclassics und des ProRace Berlin zuständigen Organisation Upsolut Event.
Der Koblenzer Radhersteller Canyon, für den ausgerechnet Zabel als Gesicht der Initiative „Young Heroes“ Nachwuchsfahrer unterstützt und motivieren soll, prüft, ob eine weitere Zusammenarbeit noch beabsichtigt ist. Auch aus anderen Gründen könnte die Beichte Zabel teuer zu stehen kommen. Wie im Fall Jan Ullrich prüft die ARD nun auch gegen ihn juristische Schritte. Das bestätigte Sportkoordinator Axel Balkausky. „Ja, die ARD hatte damals auch eine Vereinbarung mit Erik Zabel. Auch diese prüfen wir ebenso wie die damalige Vereinbarung mit Jan Ullrich derzeit juristisch“, sagte Balkausky.
Es geht um die Frage, ob Sponsorengelder zurückverlangt werden können. In die Ecke gedrängt, hatte Zabel sechs Jahre nach seiner schauspielerischen Glanzleistung bei der ersten bruchstückhaften Beichte nachgelegt. „Epo, Cortison, dann sogar Blutdoping“ gab der sechsmalige Gewinner des Grünen Trikots bei der Tour de France in einem Interview mit der „SZ“ zu: „Es ist doch eine ganze Menge.“
Zunächst benutzte er das Blutdoping-Mittel Epo. Als die Nachweismethoden besser wurden, sei er wie etliche andere Fahrer umgeschwenkt – auf Eigenbluttransfusionen. Zabels Offenbarungen erscheinen allerdings streckenweise wieder nur als die halbe Wahrheit. Fragwürdig ist vor allem seine Aussage, dass er sich bei seinen Betrügereien keines Systems bedient haben will: „Ich hatte nie einen strukturierten Dopingplan, nie dafür irgendwelche Experten um mich rum, und habe mich deshalb auch nie als Superdoper angesehen. Ich hatte nur Empfehlungen.“
Der Molekularbiologe Werner Franke hat seine Zweifel. „Ich bin mir sicher, dass er über Dinge nicht geredet und nicht alles erzählt hat. Die haben ja alles genommen, was sie kriegen konnten“, sagte Franke. Für sein viel zu spätes Geständnis erhielt Zabel dennoch auch reichlich Zuspruch. „Dass Erik Zabel reinen Tisch gemacht hat, ist sogar zu diesem außerordentlich späten Zeitpunkt zu begrüßen“, sagte Präsident Rudolf Scharping vom Bund Deutscher Radfahrer.
Gleichzeitig kritisierte er: „Der Zeitpunkt der Offenbarungen und die Tatsache, dass Geständnisse fast immer nur scheibchenweise abgegeben werden, ist eine ungerechte und fortdauernde Belastung derer, die für den Radsport von heute stehen und mit dem Fehlverhalten der Vorgänger-Generation nichts mehr zu tun haben.“
Für den Radsport von morgen könnte Rick Zabel stehen: Erik Zabels Sohn hatte erst vor einigen Tagen die ganze Wahrheit über die Doping-Machenschaften seines Vaters erfahren. Eine pikante Angelegenheit, schließlich hatte Zabel bei seinem Mini-Geständnis 2007 noch gesagt, dass er seinen Sohn nicht weiter anlügen könne.
Eine „Riesendummheit“ sei es gewesen, „Rick da mit reinzuziehen“, sagte Zabel nun. Sein Sohn, für 2014 beim WorldTour-Team BMC als Profi unter Vertrag, habe nun „großartig reagiert“.