Die Tour der Slowenen
Ski-Ass Tina Maze, Basketball-Wunderkind Luka Doncic oder die Skispringer Peter Prevc und Robert Kranjec waren in jüngster Zeit die großen Sportstars Sloweniens. Klar: Die kleine Republik mit ihren rund zwei Millionen Einwohnern ist Wintersport- und Basketball-verrückt.
Der Fußball ist populär wie überall, auch Handball hat zuletzt aufgeholt. Doch derzeit ist ganz Slowenien im Radsport-Fieber. Und das liegt an Primoz Roglic (30) und Tadej Pogacar (21), diesen beiden Ausnahmekönnern am Berg, die in dieser Woche den Gesamtsieg der Tour de France unter sich ausmachen werden.
"Dies ist kein Märchen mehr und auch kein Traum, all dies ist Realität. Eine der größten Geschichten passiert derzeit im slowenischen Sport", schrieb die größte Tageszeitung "Delo" nach dem slowenischen Doppelerfolg bei der schweren Bergetappe auf den Grand Colombier am Sonntag. Und Roglic meinte: "Ich war jetzt lange nicht mehr in der Heimat, aber die Leute dürften jetzt verrückt spielen."
Eine besondere Note erhält der Zweikampf dadurch, dass beide nicht nur Landsmänner, sondern auch gut befreundet sind. Bisweilen trainieren sie sogar gemeinsam. "Natürlich, wir sind echte Kumpels", sagt Pogacar, "aber eben auf den letzten Rennkilometern nicht."
Und Roglic meint: "Wir sind Rivalen - und auch Freunde. Wir kommen aus dem gleichen Land, aber auf dem Rad wollen wir beide gewinnen."
Dabei ist der Werdegang beider grundverschieden. Während Roglic zunächst Skispringer war und erst nach einem schweren Sturz im Alter von 23 Jahren mit dem Radsport begann, tritt Pogacar bereits seit seinem neunten Lebensjahr in die Pedale. Er gilt seit längerem als großes Talent, hängte in der Jugend regelmäßig ältere Rivalen ab. Im Vorjahr war er bereits Dritter bei der Spanien-Rundfahrt, die Roglic gewann.
Pogacar ist auch der einzige Fahrer bei der diesjährigen Tour, der Roglic - abgesehen von Bonussekunden - Zeit abknöpfen konnte.
"Das hier ist noch lange nicht vorbei", sagte deshalb Roglic, der den zweiten Ruhetag mit dem dünnen Polster von 40 Sekunden auf seinen knapp neun Jahre jüngeren Landsmann verbrachte. "Ich hätte gerne mehr Vorsprung, keine Frage. Tadej hat wirklich gute Beine."
In den nächsten Tagen folgen noch drei Alpenetappen, die endgültige Entscheidung dürfte am Samstag beim Bergzeitfahren an der Planche des Belles Filles in den Vogesen fallen.
Was aber seit Sonntag schon klar ist: Erstmals seit 2014 kommt der Toursieger nicht aus dem Team Ineos, früher Sky. Der Kolumbianer Egan Bernal hat nach seinem schweren Einbruch am Grand Colombier keine Chance mehr auf die Titelverteidigung. "Ich habe das Gefühl, dass ich heute drei Lebensjahre verloren habe", sagte Bernal, der sich 7:20 Minuten nach Sieger Pogacar über die Ziellinie schleppte. "Den ganzen Tag fehlte mir die Kraft, ich war nicht in meiner normalen Form." Bereits vor der Tour de France hatte er über Rückenprobleme geklagt.
Was man aber nicht vergessen darf: Auch Bernal ist erst 23 - und wird in den kommenden Jahren sicher wieder zur Attacke auf die beiden Super-Slowenen blasen.
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