Die Show von Marc Girardelli

Im Salzburger Land kann man einen Tag mit Marc Giradelli verbringen. Die AZ ist mitgefahren – und ist von der Vorstellung des Altmeisters ein wenig enttäuscht
Marc Girardelli, der große Weltcup-Beherrscher zwischen 1983 und 1996, blickt nach unten. Auf einen klasse Hang inmitten des Skicircus Saalbach-Hinterglemm. Prima Breite, prima Neigung, menschenleer. „Jetzt zeig ich euch mal“, sagt der inzwischen 48jährige Meister, „wie ich früher gefahren bin...“
Dann stößt er sich ab, sticht eher vertikal als quer in die schräge Ebene – und rauscht mit atemberaubenden Tempo gen Tal. Fünf weite Schwünge – teils über Buckel hinweg, als seien keine vorhanden –, dann ein knapper „Christiana“ zum Schluss: Und die Vorstellung ist beendet. Wir applaudieren von oben – und seufzen. So wie er, der Gira, fährt, ist einfach eine völlig fremde Art auf Ski. Eine unerreichbare Galaxie des Schnee-Weltalls.
Die Demonstration bildet zweifelsohne den Höhepunkt dieses Skitages. Der eigentlich gar nicht so gut begonnen hat. Nämlich mit dem gestrigen Abend...
Sechs-Gänge-Menü im Hotel Forsthofgut von Leogang. Eine wirklich fabelhafte Küche. Und dennoch fehlt dem Dinner etwas: gewissermaßen der Hauptgang. Besser gesagt: die Hauptperson. Marc Girardelli. Eigentlich sollte der fünffache Weltcup-Gewinner und vierfache Weltmeister als Star-Gast mit an der Tafel sitzen. Doch er befindet sich noch auf dem Weg von Bulgarien hier her. Girardelli berät den dortigen Skiverband und hat Wichtiges auf dem Balkan zu erledigen.
Den Wartenden hier im Salzburger Land ist das egal. Sie sind enttäuscht – und manche murren schon. 490 Euro haben sie hingeblättert, um einen Abend und einen Skitag mit Marc Girardelli zu verbringen – und dann fällt der Abend schon mal weg. Wobei sie den Teilnahmebetrag meist ja nicht selbst berappt haben, sondern ihn zu Weihnachten oder sonst einem Anlass als Jochen-Schweizer-Präsent-Gutschein erhielten. Wie zum Beispiel jener nette Herr aus Franken. „Eigentlich hat mir meine Frau“, deutet er auf sie, „einen Fallschirmsprung geschenkt“. Aber gegen den habe er sich dann erfolgreich gesträubt, erklärt er der AZ. „Und konnte ihn gegen ‚Skifahren mit Girardelli’ umtauschen.“
Spät am Abend trifft der „Gira“ dann doch noch ein und erzählt ein paar Schnurren an der Bar. Jene, die bereits im Bett sind, um sich auf den Tag mit dem großen Meister vorzubereiten, ziehen am nächsten Morgen, als sie es erfahren, eine leichte Schnute. Doch dafür sind sie ausgeschlafen, denn schließlich steht auf dem Programm: Torlauf-Training mit Girardelli! Auf einem extra abgesteckten Parcours.
Doch vormittags wird erst einmal ohne Stangen über die Pisten gedüst – wobei „gedüst“ es ziemlich richtig trifft. Girardelli legt zwar kein überirdisches Höllentempo vor, dem keiner mehr folgen kann – aber ein ordentlicher Zacken ist es trotzdem. Und sobald die Letzten der 17er-Gruppe beim Zwischen-Stopp eingetroffen sind, fährt Girardelli schon wieder los. Keine Pause für die Schwächeren. Höchstens, er erzählt Details aus seinem Weltcup-Leben. Auch während der Hütten-Mittagspause gibt der große Girardelli sich ausgesprochen leutselig und antiprominent und gibt eine Anekdote nach der anderen preis. (Die AZ-Leser werden Sie demnächst alle erfahren...)
Dann geht’s wieder weiter. Selten, dass der berühmte Guide mal jemandes Fahrstil korrigiert. Die Selbstbewussten nehmen es als Beweis ihrer Stärke. Die anderen hingegen hätten schon gerne mal erfahren, was sie an sich verbessern könnten. Doch Girardelli steht heute ja nicht als Skilehrer, sondern als Slalomtrainer zur Verfügung.
Doch auch daraus wird bedauerlicherweise nichts. Denn der speziell abgesperrte Parcours erweist sich – es ist bereits später Nachmittag – als ganz gewöhnliche Riesenslalomstrecke, die gegen Münzeinwurf jeder Mensch benutzen kann. Doch weil vor uns eine Touristen-Gruppe mit einem halben Dutzend Kindern sich bereits an den Start gestellt hat, dauert Girardelli dies zu lang: „Da stehen wir ja ewig herum! Das lassen wir lieber bleiben und gehen in eine Hütte!“
Wo er – zum Tagesschluss – für alle eine Runde ausgibt. „Eine Runde Slalom wär’ mir lieber gewesen!“, mault einer. Die AZ fragt herum: „Wie hat es euch gefallen?“ 90 Prozent antworten fast identisch: „War ganz nett – aber wenn ich es selbst hätte bezahlen müssen, dann wäre ich jetzt etwas enttäuscht...“
Dann der Abschied – für die Teilnehmer. Girardelli hingegen bleibt. Denn heute Abend kommen neue Gäste, morgen steigt der nächste Gutschein-Tag. Diese zweite Gruppe hat es gut: Denn ihr steht der Champion bereits beim Dinner zur Verfügung – und vielleicht hat er bei diesen Teilnehmern dann morgen auch tatsächlich Lust auf Torlauf. Und falls nicht: Wird aber sicherlich wieder das Genuss-Stück „Jetzt zeig ich euch mal, wie ich früher gefahren bin...“ zur Aufführung kommen.
Und sich den Zuschauern für immer und ewig ins Gedächtnis brennen. Als Lehrstück, was Skifahren wirklich ist: Eine für Normalos unfassbare Dimension – der niemals erreichbaren Art. Selbst gegen den teuersten Gutschein der Welt nicht.