„Die Schweizer Hymne singe ich nicht“
Ottmar Hitzfeld über das Debüt als Nationalcoach der Schweiz – und die Probleme von Jürgen Klinsmann beim FC Bayern.
AZ: Herr Hitzfeld, kennen Sie die Schweizer Nationalhymne?
OTTMAR HITZFELD: Ich kenne die Melodie und man hat mir den Text gegeben. Den werde ich mir noch ein paar Mal genau anschauen.
Das heißt, Sie werden am 20. August vor Ihrem ersten Spiel singen?
Es steht fest, dass ich die Schweizer Hymne nicht singen werde. Ich freue mich auf meinen Job als Schweizer Nationaltrainer, das einmal zu sein, war ein großer Wunsch von mir, weil mich viel mit diesem Land verbindet.
Mancher betrachtet Sie als Schweizer, obwohl Sie in Deutschland geboren sind?
Ich fühle mich auch als halber Schweizer. Ich war dort 17 Jahre Trainer, habe meine Karriere dort begonnen und ich wohne an der Grenze. Von 2004 bis 2007 als ich eine Pause eingelegt habe, wohnte ich in Engelberg. Die emotionale Beziehung ist sehr eng. Es ist auch das Gefühl, wieder daheim zu sein.
Und die Bayern haben Sie schon über Bord geworfen?
Das ging schnell. Ich war viele Jahre dort. Und ich hatte einen sehr schönen Abschied.
„Schöner Abschied" ist eine diplomatische Beschreibung. Das letzte halbe Jahr war geradezu traumhaft für Sie, Sie sind nach all dem Ärger als großer Gewinner gegangen?
Ein solcher Abschied bleibt bis zum Lebensende. Es ist ein Glücksfall, wenn dir als Trainer so etwas passiert. Grundsätzlich verläuft bei den Bayern kein Jahr geräuschlos, das gehört dort dazu.
Man darf vermuten, dass Sie heute besser schlafen?
Mein Schlaf ist ruhiger, das stimmt. Verantwortung hat man hier auch, aber es sind eben zehn, zwölf Spiele und keine 60. Die Belastung ist eine andere. Als Klubtrainer kannst du eine Niederlage nach drei Tagen vergessen machen, als Nationalcoach musst du auf die Chance manchmal sechs Wochen warten.
Ihr Alltag sieht anders aus?
Als Klubtrainer hast du sechs Wochen Vorbereitungszeit, vor dem Zypernspiel habe ich zwei Tage. Zunächst einmal ist das auch ein Abenteuer, von dem man zuerst nicht weiß wie es funktioniert. Aber ich hatte einige Zeit, mich auch darauf vorzubereiten.
Mancher sieht Sie als Heilsbringer, der neuen Zug in den beschaulichen Schweizer Fußball bringt?
Die Schweiz ist nicht ein so großes Land und Qualifikationen für große Turniere sind keine Selbstverständlichkeit. Wir haben diesmal mit Griechenland und Israel auch schwere Gegner in der WM-Qualifikation. Die Schweiz war mit Köbi Kuhn dreimal bei großen Turnieren dabei. Ich weiß, was von mir erwartet wird.
Es gab aber auch einige, die fürchten, mit Ihrer Verpflichtung werde die Schweiz endgültig zum Land für pensionierte Fußballtrainer?
Ich habe viel Vertrauen gespürt. Es gibt wohl immer ein paar, die auf die unsinnige Idee kommen, man wolle sich hier nur ausruhen. Ich denke, meine bisherige Arbeit spricht für sich. Ich gehe auch an diesen Job mit großem Ehrgeiz.
Bei der EM hatte man manchmal den Eindruck, es geht im Schweizer Fußball auch eine Spur bescheidener zu?
Ich finde die Schweiz hat sich gut und selbstbewusst verkauft.
Sie werden trotzdem neue Wege gehen.
Ich werde versuchen, meine Philosophie zu vermitteln, eine Gewinnermentalität. Die Spieler sollen bis zur letzten Sekunde daran glauben, ein Spiel zu drehen.
Das Bayern-Gen für die Schweiz?
Wenn Sie so wollen, aber ich nenne es einfach Gewinnermentalität. Fest steht, ich werde neue Spieler nominieren, um eine neue Konkurrenzsituation zu schaffen.
Auch ein alter Hase wie Sie freut sich also auf neue Motivation?
Neue Ziele sind immer gut. Der Job in der Schweiz wird auch für mein Leben eine große Veränderung.
Wundern Sie sich über die Schwierigkeiten, die die Bayern und Ihr Nachfolger Jürgen Klinsmann jetzt haben?
Was heißt Schwierigkeiten? Man muss erst einmal sechs, sieben Spiele sehen, bevor man solche Urteile fällt.
Und wie empfinden Sie denn die umfassenden Umbauten bei den Bayern?
Umgebaut wurde das Trainingsgelände ja von den Bayern, das hatte, glaube ich, mit Klinsmann wenig zu tun. Die internen Umbauten entsprechen Jürgens Philosophie. Ich beobachte die Veränderungen mit großem Interesse.
Sie selbst denken in der Schweiz schon daran, dort Ihre Karriere ausklingen zu lassen?
Langsam, langsam – jetzt fange ich erst einmal an. Und wie gesagt, wir haben viel vor.
Interview: Oliver Trust