Die Schande von München
München - Blut, Morddrohungen, Festnahmen, eine Schlägerei auf übelstem Gossenniveau: Der Kampfabend zwischen Weltmeister Vitali Klitschko und Herausforderer Dereck Chisora in der Olympiahalle wird in die Box-Geschichte eingehen – als die Schande von München. „Das war das Übelste, was ich je gesehen habe. Das ist eine Schande für den Sport“, sagte Wladimir Klitschko, der selber Augenzeuge der unglaublichen Vorfälle war.
Aber der Reihe nach. Bei der Pressekonferenz nach Vitalis Sieg über den Briten Chisora war auch Klitschkos Intimfeind David Haye anwesend, der für den Sender „Box Nation“ vom Ring berichtete. Der pöbelte erst gegen Vitali, dann gegen Chisora, er nannte seinen britischen Landsmann einen „Loser“. Chisora meinte: „Ich bin gespannt, ob du mir das auch ins Angesicht sagst.“ Er verließ das Podium und ging auf Haye zu. Nach einem Wortgefecht, schlug Haye zu. In der Hand hielt er eine Glasflasche, Chisora prügelte mit dem Mikrofon auf Haye ein. Es folgte eine üble Keilerei. Chisora-Trainer Don Charles und Haye knüppelten aufeinander ein. Als Haye-Manager Adam Booth dazwischen ging, ergriff Haye ein schweres Kamera-Stativ und schlug damit in die Menge. Er traf aber nicht Charles, sondern seinen eigenen Trainer, der eine Platzwunde davontrug. Chisora hatte sich inzwischen eine Flasche gegriffen, wollte, damit Haye niederknüppeln, doch zwei Securityleute konnten ihn gerade noch abdrängen.
Danach schlug Chisora, der Vitali schon am Freitag beim offiziellen Wiegen geohrfeigt hatte, und Wladimir im Ring vor dem Kampf angespuckt hatte, verbal um sich. „David, ich werde dich erschießen. Ich werde dich anzünden.“ Und zu Haye-Trainer Booth meinte der wegen illegalen Waffenbesitzes und Körperverletzung vorbestrafte Chisora: „Schau in meine Augen, ich werde deinen Fighter killen!“
Am Sonntag wurde Chisora dann um 10.30 Uhr, am Abflugschalter des Terminal 2 des Flughafens festgenommen und zum Verhör in die Ettstraße gebracht. David Haye war gegen drei Uhr nachts aus seinem Hotel gestürmt und hat Deutschland verlassen. Nach AZ-Informationen haben die deutsche Behörden bereits bei der britischen Polizei angefragt, Haye festzusetzen und dazu zu bewegen, sich den Behörden in Deutschland zur Verfügung zu stellen.
Die AZ erklärt die vordringlichen Fragen nach der Schande von München.
Welche juristischen Konsequenzen hat Haye zu befürchten? Der Schlag stellt eine Körperverletzung nach § 223 StGB dar. „Die Flasche und das Kamerastativ stellen jeweils ein gefährliches Werkzeug im Sinne von Paragraph 224 Strafgesetzbuch dar“, erklärte der Münchner Staranwalt Thomas Pfister der AZ: „Dieser Tatbestand ist mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten bedroht.“ Die Höchsstrafe beträgt zehn Jahre. Es handelt sich um ein Offizialdelikt, es bedarf also keiner Anzeige, die Behörden ermitteln von sich aus. Auch die Attacke mit dem Stativ, bei dem er seinen Trainer traf, ist eine gefährliche Körperverletzung. Pfister: „Da er einen Menschen treffen wollte, ist es für die Erfüllung des Tatbestandes nicht entscheidend, ob er auch den traf, den er treffen wollte.“
Was droht Chisora?
Im Zuge der Schlägerei wollte Chisora mit einer Flasche zuschlagen, dies ist eine versuchte gefährliche Körperverletzung, der Schlag mit dem Mikrofon könnte als vollendete schwere Körperverletzung gewertet werden. „Die Ohrfeige beim Wiegen ist eine Körperverletzung, da sie von keiner Einwilligung, wie sie im regulierten Kampf im Ring vorliegt, abgedeckt wird“, sagte Strafanwalt Pfister, „das Anspucken ist eine Beleidigung nach Paragraph 185. Die Morddrohungen wiederum werden nach Paragraph 241 StGb bestraft.“ Für die Bedrohung kann es eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geben, die Beleidigung ist ebenfalls mit einem Jahr strafbewehrt. Die Vergehen würden in einem Prozess gemeinsam abgeurteilt werden. „Dass Chisora bereits vorbestraft ist, wirkt sich strafverschärfend aus“, sagt Pfister.
Was machen die Boxverbände?
Für die Ohrfeige hat die WBC Chisora bereits eine 50<TH>000-Dollar-Strafe aufgebrummt, das Anspucken wird ihn weitere 20<TH>000 Dollar kosten. Doch der Bund Deutscher Berufsboxer (BDB), der den Kampfabend ausrichtete, will noch ein viel härteres Vorgehen. „Ich werde alles dafür tun, dass keiner der beiden Herren je wieder in einem deutschen Ring stehen darf. Ich werde versuchen, eine lebenslange Sperre durchzusetzen“, sagte BDB-Präsident Thomas Pütz der AZ, „gerade Chisora ist gemeingefährlich, wir haben auch schon mit dem britischen Verband gesprochen, damit ihm der Heimatverband die Lizenz entzieht.“