Die Pyrenäen kommen: Am Wochenende wird es steil
Nach den Tagen der schnellen Entscheidungen beginnt für die Sprinter die „Tour der Leiden“. Am Wochenende geht es für Andre Greipel und Co. in die Pyrenäen.
Albi - Die Zeit der schnellen Beine ist erst einmal vorbei, jetzt beginnt für die Sprinter um die Etappensieger Andre Greipel und Marcel Kittel die „Tour der Leiden“. Am Wochenende werden die schnellsten Radprofis bei der 100. Tour de France nicht mehr um Tagessiege, sondern nur noch ums nackte sportliche Überleben kämpfen. „Ich werde den Hintern ganz schön zusammenkneifen müssen“, sagte Kittel in Gedanken an die ungeliebten Anstiege. Die erste Pyrenäenetappe von Castres zur Bergankunft in Ax-3-Domaines steht am Samstag auf dem Programm.
Das Leid der Sprinter ist die Freud der Tour-Favoriten. Da bislang nicht einmal das Mannschaftszeitfahren für wesentliche Abstände gesorgt hat und auch auf Korsika ernsthafte Muskelspiele ausgeblieben waren, werden sich vor allem Chris Froome und Alberto Contador ein erstes echtes Duell liefern. Und selbst wenn die Tour über den Col de Pailheres und im Schlussanstieg zum Ziel sicher nicht entschieden wird, psychologisch wird der Abschnitt in jedem Fall folgenreich sein. „Ich freue mich auf die Berge, diese Flachetappen zehren an den Nerven“, sagte Froome.
Das Interesse des 28-Jährigen und seiner Konkurrenten lag bisher darin, keine unnötige Zeit zu verlieren und sich möglichst schadlos zu halten in den verschiedenen Massenstürzen. Sky-Kapitän Froome gelang dies wie auch dem australischen Tour-Sieger von 2011 Cadel Evans (BMC). „Wir sind im Moment in einer perfekten Position“, sagte Froome, der auf Gesamtrang sieben die beste Ausgangslage aller Sieganwärter hat. Andere kamen weniger glimpflich davon.
Contador war in den Crash auf der ersten Etappe verwickelt, blieb aber bis auf Hautabschürfungen von Blessuren verschont. „Wir wollen Alberto jetzt schützen und sicher bis in den Pyrenäen bringen“, sagte Saxo-Sportdirektor Fabrizio Guidi. Der zweimalige Gesamtsieger liegt nur sechs Sekunden hinter Froome ebenfalls gut im Rennen. „Ich fühle mich seit dem Sturz jeden Tag ein bisschen besser und will in bester Verfassung in den Pyrenäen ankommen“, sagte Contador, der aber auch durch den knappen Rückstand unter Zugzwang steht.
Am heftigsten trafen die Stürze Greipels Lotto-Teamkapitän Jürgen Van den Broeck, der in Marseille kurz vor dem Ziel dem Franzosen Nacer Bouhanni nicht ausweichen konnte und mit einer ernsthaften Knieverletzung abreisen musste. Immerhin tröstete den Gesamtvierten des Vorjahres der Etappensieg des Rostockers. „Es war die Hölle nach meinem Sturz, jetzt spüre ich aber Freude, weil Andre gewonnen hat“, sagte der 30-jährige Belgier.
Greipel hatte sich mit seinem insgesamt fünften Tageserfolg bei der Großen Schleife auch im Kampf um Grün bestens in Position gebracht. Nachdem der Rostocker jetzt sein wichtigstes Ziel erreicht hat, wird er einen möglichen Gewinn des „Maillot vert“ nicht freiwillig abschenken. „Solange ich eine Chance habe, werde ich darum kämpfen“, sagte Greipel.
Aber vor allem der Slowake Peter Sagan wird einiges dagegen haben. Der Cannondale-Star sammelte bisher konstant Zähler und hat in den Bergen normalerweise beträchtliche Vorteile. „Ich werde auch etwas riskieren, um das Trikot zu verteidigen. In der dritten Woche, wenn noch einige Berge kommen, hoffe ich, das Maximum an Punkten zu holen“, sagte der 23-Jährige.
Während Sagan das Klettern relativ leicht fällt, werden die meisten Sprinter um nicht vom Besenwagen geschluckt zu werden. Marcel Kittel, einer der schwersten Fahrer im Peloton, ist dennoch zuversichtlich. „Ich denke, dass ich da einen Sprung gemacht habe“, sagt der Tour-Auftaktsieger. Gleichwohl wäre es auch ihm recht, wenn sich genügend Fahrer finden, die auf ein gleichmäßiges Tempo setzen und die Leiden der Sprinter etwas erträglicher machen.