Die Poldi-Show — eine Provokation?

Von Trainer Jürgen Klinsmann brüskiert, trifft der Stürmer als Einwechselspieler beim 3:0 in Köln zwar für Bayern – feiert aber, als wäre er schon wieder in Köln. Mit Ehrenrunde und seiner kleinen Nichte. Alles Emotionen eines jungen Mannes, der Heimweh hat oder eine Spur zuviel des Guten?
von  Abendzeitung
Handauflegen oder nur ein kurzer Test: Vor dem Anpfiff des 3:0 in Köln legte Ersatzspieler Lukas Podolski bei Manager Uli Hoeneß mal kurz Hand an.
Handauflegen oder nur ein kurzer Test: Vor dem Anpfiff des 3:0 in Köln legte Ersatzspieler Lukas Podolski bei Manager Uli Hoeneß mal kurz Hand an. © az

Von Trainer Jürgen Klinsmann brüskiert, trifft der Stürmer als Einwechselspieler beim 3:0 in Köln zwar für Bayern – feiert aber, als wäre er schon wieder in Köln. Mit Ehrenrunde und seiner kleinen Nichte. Alles Emotionen eines jungen Mannes, der Heimweh hat oder eine Spur zuviel des Guten?

KÖLN Joachim Löw war bester Dinge, zu Scherzen aufgelegt. Vor dem Anpfiff meinte er launig: „Dann wollen wir doch mal sehen, ob der Jürgen heute Luca Toni draußen lässt.“ Hat Klinsmann nicht. Welch Überraschung. Auch Miroslav Klose nicht. Er ließ Lukas Podolski draußen. Logisch, hatte der Bayern-Trainer doch angekündigt, den Stürmer noch recht lange draußen zu lassen. Wenn’s blöd läuft für Poldi bis Vertragsende 2010.

Und so erlebte Podolski, der einzige Bundesliga-Profi mit 18 statt 17 Heimspielen pro Saison, seinen Heimatnachmittag zunächst im Sitzen. Auf dem Weg zur Bank überprüfte er noch rasch die Form von Uli Hoeneß, taschte ihm mit der Linken auf den Bauch. Hoeneß grinste, ließ sich aber nicht zu einer Tätlichkeit hinreißen. Weil Poldi eben Poldi ist. Ein Kindskicker. Liebenswert. Einer, mit dem man (mal abgesehen von der üppigen Vergütung) Mitleid haben kann. Klinsmann hat ihn degradiert, zum „Herausforderer der Platzhirsche Toni und Klose“ abgestempelt, er sagt Bayern sei „kein Ausbildungsverein“. Für einen Profi mit 30 Toren in 57 Länderspielen?

Klinsmann brüskiert Poldi – und beruft sich auf Trainingseindrücke. Schwer nachzuvollziehen, sind doch meist nur maxinal zwei Einheiten öffentlich. Klose ist gesetzt – trotz nur zwei Bundesliga-Treffern 2008. Podolski sitzt. In der Pause machte er sich mit den Kölner Ersatzspielern warm, machte Fotos mit Ballbuben, klatschte Ordner ab. Ganz so, als hätte er Freigang aus dem Bayern-Gefängnis, einer Zelle namens Ersatzbank.

Wirklich glücklich wirkte Podolski auch nicht, als er nach 57 Minuten für den erschreckend schwachen Klose eingewechselt wurde. FC-Fans hielten ein Plakat hoch („Komm nach Hause“-Plakat“), sangen „Lukas, du bist ’ne kölsche Jong’“ und forderten „Eigentor! Eigentor!“ Doch es kam anders: Podolski überzeugte. Alle schauten auf ihn, er war der Mittelpunkt. Er hätte Fehler machen, lustlos spielen können – sich angreifbar machen. Doch der Angreifer legte los, zeigte seinen Fans, zeigte Klinsmann, was er kann.

Erst drei Minuten auf dem Platz spielte er wie früher in diesem Stadion nur Linksfuß Overath flach und steil auf Zé Roberto, der zu Toni ablegte – das 2:0. Poldi jubelte dezent. In der Nachspielzeit wollte der Italiener den Hattrick perfekt machen, den Ball mit dem rechten Außenrist ins lange Eck schnibbeln, es wurde ein Roller. Den Podolski ins Tor drückte. Da legte er sich nieder, flach auf den Bauch. So konnte keiner sein Gesicht sehen. Als er aufstand, klopfte er sich mit leichenbitterer Miene aufs Herz. Oder aufs Bayern-Wappen?

„Ich hatte Gänsehaut“, gab er zu. „Dass ein Gegner so gefeiert wird wie ich hier, ist wohl einmalig auf der Welt.“ Nach Schlusspfiff nahm er seine Nichte Jolie (im DFB-Trikot mit Poldis Nr. 10) auf den Arm, ging mit ihr auf eine ewige Ehrenrunde – eine Provokation der Bayern-Bosse oder ehrliche Gefühle eines jungen Mannes mit Heimweh? Das dürfte noch lange andauern. „Karl-Heinz Rummenigge hatte heute Mittag ein Essen mit Wolfgang Overath gehabt, und da ist klar geworden, dass die hinten und vorne kein Geld dafür haben, den Lukas zurückzuholen“, sagte Hoeneß, „die Kölner sollten sich das ein für alle Male abschminken und dann sind alle beiden Seiten glücklicher.“ Und Poldi?

Patrick Strasser

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