Die neun Achter-Helden

Sie waren die Favoriten, sie sind seit gut vier Jahren unbesiegt – doch nach dem Olympia-Triumph auf dem Dorney Lake heulen die Ruderer vor Rührung.
von  Thomas Becker

Sie waren die Favoriten, sie sind seit gut vier Jahren unbesiegt – doch nach dem Olympia-Triumph auf dem Dorney Lake heulen die Ruderer vor Rührung. In der AZ stellt Steuermann Sauer die Sieger vor

ETON DORNEY Als Ralf Holtmeyer zum letzten Mal mit seinen Jungs Olympia-Gold feierte, stand nebendran die Truppe aus der UdSSR. 1988 war das, in Seoul. 24 Jahre sollte es dauern, bis der Deutschland-Achter wieder ganz oben auf dem Podest stand. In einem packenden Finale auf dem Dorney Lake von Eton bezwang das Paradeboot des Deutschen Ruderverbandes nach starkem Schlussspurt die Konkurrenz aus Kanada und Großbritannien.

Als die Deutschland-Fahne vor den Augen der Prinzen William und Harry im Mutterland des Rudersports im Wind wehte, sangen die siegreichen Ruderer die Nationalhymne voller Inbrunst. Selbst dem hartgesottenen Trainer Ralf Holtmeyer standen angesichts des vierten Olympiasieges nach 1960, 1968 und 1988 die Tränen in den Augen. Die deutsche Schlagmann-Legende Roland Baar war tief beeindruckt: „Das ist der beste Achter aller Zeiten. Das sind liebe, ehrgeizige Jungs. Kämpfer, keine Spinner, total bodenständig”, sagte Baar, der 1996 in Atlanta Zweiter geworden war.

Mit letzter Kraft hatte sich Schlagmann Kristof Wilke im Boot zur Siegerpose à la Usain Bolt aufgerappelt, bevor er losheulte wie der berühmte Schlosshund und der Rest der Truppe ins kollektive Japsen verfielen. Noch Minuten nach dem Zieleinlauf waren die Kerls völlig außer Atem – bis auf Steuermann Martin Sauer (Wriezen, 29 Jahre, 1,69 Meter, 55 Kilo). Der Koordinator auf und neben dem Wasser stellte, bevor er nach alter Sieger-Sitte im hohen Bogen in den See befördert wurde, seine acht starken Männer vor:

Kristof Wilke (Radolfzell, 27 Jahre, 1,90 m, 91 kg): „Seit 2011 unser Schlagmann, ein koordinativ sehr starker Sportler”, sagt Sauer. Wilke vergleicht das Flaggschiff mit einem Acht-Zylinder-Auto der gehobenen Preisklasse: elegant und leistungsstark. Er studiert Sport und Biologie, wollte Fußballer werden, doch an seiner Schule gab es ein Pflichtfach: Rudern. Nach der Siegerehrung sagte er: „Ich habe keine Zwiebeln geschnitten – das sind Freudentränen.”

Florian Menningen (Ratzeburg, 30 Jahre, 1,94 m, 93 kg): „Ihn zeichnet eine gewisse Ruhe aus”, sagt Sauer. Der Oldie des Teams wuchs in der Ruder-Hochburg Ratzeburg auf und arbeitet mittlerweile als Wirtschaftspsychologe.

Lukas Müller (Wetzlar, 25 Jahre, 2,08 m, 101 kg): „Für seine Größe besitzt er ein unglaublich gutes Gefühl”, sagt Sauer. Der Lange kam vor neun Jahren vom Basketball. Im Boot sitzt er im sogenannten „Maschinenraum” – passend zum Maschinenbaustudium. Für ihn war es nun „das geilste Rennen aller Zeiten”.

Richard Schmidt (Trier, 25 Jahre, 1,91, 96 kg): „Er gehört vom Gesamtpaket zu den stärksten Athleten”, sagt Sauer. In Peking musste Schmidt noch als Ersatzmann zusehen, wie der Achter als Letzter im Hoffnungslauf unterging. Er ist Sportsoldat und studiert Wirtschaftsingenieurwesen.

Maximilian Reinelt (Ulm, 23 Jahre, 1,94 m, 94 kg): „Der absolut Stärkste auf dem Ergometer”, sagt Sauer. Mit 14 schickte ihn seine Mutter zum Rudern – die Schwester hatte ihn beim Waldlauf abgehängt, es bestand Bedarf an sportlicher Betätigung. Inzwischen ist das Nesthäkchen des Teams auch begeisterter Kletterer.

Eric Johannesen (Hamburg, 24 Jahre, 1,93 m, 96 kg): „Im Zweier der Beste”, sagt Sauer. Ist seit vier Jahren Sportsoldat und der einzige Nicht-Student im Boot – aber nicht mehr lang: Nach London möchte er studieren.

Andreas Kuffner (Vilshofen/Berlin, 25 Jahre, 1,96 m, 92 kg): „Er besitzt ein fröhliches Gemüt”, sagt Sauer. Der einzige Bayer im Achter wohnt zwar seit vier Jahren im „wilden” Berliner Wedding, muss sich aber immer mal wieder Witzeleien der „Preußen” über seine niederbayerische Herkunft gefallen lassen.

Filip Adamski (Breslau/Mannheim, 29 Jahre, 1,89 m, 88 kg): „Er verfügt über die größte Wettkampferfahrung”, sagt Sauer. Bis April musste der Wackelkandidat um seinen Platz im Achter bangen. An die Regattastrecke von Eton hat er in guter Erinnerung: Bei der WM 2006 holte er hier mit dem Vierer die Silbermedaille. Th. Becker

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