Die "neuen" Disziplinen im Brennpunkt: Schwere Stürze
Sotschi – Der schwere Trainingsunfall einer russischen Skicrosserin mit unabsehbaren Folgen. Slopestyler, die zum Teil furchterregend stürzen. Ein Snowboardcross-Rennen, in dem Fahrerinnen aus einer Steilwand fallen, sich zum Teil spektakulär überschlagen oder mit dem Rettungsschlitten vom Berg geholt werden müssen. Die sogenannten neuen Sportarten Snowboard und Ski-Freestyle sorgen bei den Winterspielen in Sotschi auch für Bilder, die keiner sehen mag. Doch die Lupe Olympia verdeutlicht nur die Risiken, die die Fahrer einzugehen bereit sind.
Snowboarder Nick Baumgartner (USA) etwa rechnet für das Crossrennen der Männer am Montag (ab 8.00/11.00 Uhr MEZ/OZ) mit einem "völligen Chaos". Das hört sich nach einem Skandal an – tatsächlich aber freut sich der 32 Jahre alte Routinier trotz der großen Verletzungsgefahr auf das Rennen: "Es wird eine wahnsinnige Show, absolut großartig."
Auf besagter Strecke wurde am Sonntag bereits das Rennen der Snowboarderinnen ausgetragen. Es siegte die Tschechin Eva Samkova, doch für viel Gesprächsstoff sorgten auch die zum Teil furchterregenden Stürze.
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Heli Herdt, Leiter der Sparte Ski-Freestyle im Deutschen Skiverband (DSV), hält die Vorfälle aber nicht für außergewöhnlich. "Hier will keiner um Blech mitfahren, alle wollen Gold – und gehen entsprechend viel Risiko ein. Das kann zu Stürzen führen. Und auf so einer Strecke hat das schnell unangenehme Konsequenzen", sagte er dem SID. Aus Sicht der Skicrosser besteht freilich kein Grund zur Sorge. "Diese Strecke ist absolut sicher für uns", sagte Herdt, auch wenn er vor allem für die Frauen "extrem und bis an die Leistungsgrenze fordernd" sei.
Einige der Snowboarderinnen überschritten eine Grenze. Die Norwegerin Helene Olafsen erlitt einen Kreuz- und Innenbandriss, die Amerikanerin Jacqueline Hernandez eine Gehirnerschütterung. Zahlreiche andere Stürze gingen glimpflich ab.
Oliver Kraus, Sprecher des deutschen Snowboardverbandes VSD, wollte die Stürze und die Schwierigkeiten der Strecke nicht überbewerten: "Der Kurs ist okay", sagte er dem SID, auch wenn bis zum Männerrennen Feintuning betrieben werden müsste. Vor allem Sprünge sollten angepasst werden, da die "Jungs noch weiter springen". Weitere Änderungen sind auch deshalb nötig, weil die Skicrosser, die ihre Rennen am Donnerstag (Männer) und Freitag (Frauen) auf dem gleichen Kurs austragen, mehr Tempo draufhaben.
Die Folgen des bislang schwersten Unfalls in Sotschi waren am Sonntag nicht absehbar. Die russische Skicrosserin Maria Komissarowa (23) liegt nach ihrem Trainingssturz in einer Klinik in Krasnaja Poljana, ob sie eine Querschnittslähmung fürchten muss, ist unklar. Wie es zu dem tragischen Sturz kam und ob er sich auf der Rennstrecke oder einer Trainingsstrecke ereignete, war ebenfalls unklar. Vermutlich stürzte Komissarow aber ohne Fremdeinwirkung. Im Rennen fahren vier Läufer gleichzeitig über einen Parcours – was die Sturzgefahr erhöht.
Im Cross-Rennen der Snowboarder sind es mittlerweile sogar sechs Fahrer, die sich gleichzeitig auf die Strecke mit Wellen, Steilkurven und Sprüngen stürzen. Zusammenstöße, mitunter auch der Sprünge, sind keine Seltenheit. Die Fahrer kennen das Risiko. "Welche Sportart ist nicht gefährlich", sagt die deutsche Skicrosserin Heidi Zacher. "Uns ist bewusst, dass Stürze und Verletzungen passieren können", ergänzt ihre Teamkollegin Anna Wörner. Seine Unschuld hat Skicross längst verloren: Im März 2012 kam der Kanadier Nick Zoric in Gindelwald/Schweiz bei einem Sturz neben den Zielraum ums Leben.
Schneller, höher, spektakulärer – auch in den Slopestyle-Wettbewerben der Snowboarder und Skifahrer gab es bisweilen furchterregende Stürze, sogar schon im Training. In der Halfpipe krachte sogar Snowboard-Superstar Shaun White nach einem missglückten Sprung derart wuchtig auf den Rand der Pipe, dass sein Brett zu brechen schien. Er blieb unverletzt. Aber auch er weiß spätestens seit dem tödlichen Trainingssturz der Ski-Freestyle-Ikone Sarah Burke (Kanada) im Januar 2012: Die Gefahr springt immer mit.