Die nette Frau Gunilla Lindberg

Sie ist Chefin der Evaluierungskommission. Ihr Bericht ist mitentscheidend dafür, ob München die Spiele 2018 bekommt.
von  Jens Weinreich
Gunilla Lindberg inmitten von Christian Ude und Katarina Witt.
Gunilla Lindberg inmitten von Christian Ude und Katarina Witt. © Daniel von Loeper

MÜNCHEN Oberbürgermeister Christian Ude hatte nur einen Blumenstrauß dabei. Einen für Gunilla Lindberg, die schwedische Chefin der Evaluierungskommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die bis Freitag den Olympiabewerber München prüft. Doch Gunilla steht auch für „Eva”, denn so wird diese Kommission intern genannt.


Gunilla Lindberg, die mit ihren Kollegen im Bayerischen Hof logiert, wo auch die meisten Meetings stattfinden, macht in diesen Tagen einen ernsten Eindruck. Strenge Miene, Betonfrisur – sorry –, so präsentierte sie sich in Annecy (Frankreich), Pyeongchang (Südkorea). Nun arbeitet ihr Team, bestehend aus elf Kommissionsmitgliedern und drei leitenden IOC-Angestellten, auch in München die siebzehn Schwerpunkte der Bewerbungsunterlagen ab.


Lindberg ist eigentlich eine lässige, sehr offene Zeitgenossin, die knappe, klare Aussagen schätzt. In ihrer neuen Rolle aber mutiert sie zur Chefdiplomatin. Keine Kommentare. Keine unbedachten Äußerungen. Als sie kürzlich im Alpensia-Kongresszentrum von Pyeongchang neben IOC-Exekutivdirektor Gilbert Felli bei der einzigen Pressekonferenz auf der riesigen Bühne saß, ergab sich ein unvorteilhaftes, geradezu bonzenhaftes Bild. Sehr unglücklich für Gunilla.


Dabei ist sie doch erfreut über diese Aufgabe, die sie als ihre bislang wichtigste im IOC betrachtet und mit Hingabe betreibt. Lindberg ist 63 Jahre alt und zweifache Mutter. Sie ist Berufsfunktionärin, fungiert unter anderem als Generalsekretärin des schwedischen NOK und des NOK-Weltverbandes ANOC. Seit 1996 gehört sie dem IOC an, war vier Jahre IOC-Vizepräsidentin. Nun leitet sie die Prüfungskommission für die Winterspiele 2018, nachdem sie in den vorhergehenden vier Evaluierungskommissionen mitgewirkt hatte, je zweimal für Winter- und Sommerspiele. Als IOC-Präsident Jacques Rogge ihr im Herbst den Job anbot, habe sie „keine halbe Sekunde gebraucht, um ja zu sagen”, erzählte Lindberg wenig später, als sie sich noch kein Schweigegelübde auferlegt hatte.


„Ehrlich gesagt, so einen Job habe ich lange gesucht”, erklärte Lindberg damals. „Denn ich kenne das Geschäft gut, ich weiß, worauf es in dieser Kommission ankommt.” Ja, sie fühlte sich immer etwas unterschätzt im IOC-Dunstkreis, sie strebt nach Höherem, manche Beobachter wispern, sie würde 2013 gern für die IOC-Präsidentschaft kandidieren. Da wäre sie allerdings ohne Chance. Dass sie bis jetzt nie eine Kommission leiten durfte, hat Lindberg gewurmt, das mochte sie nicht verbergen. Sie kann einiges vorweisen: Für das schwedische NOK hat Lindberg elf Olympia-Expeditionen vorbereitet, an 20 Olympischen Spielen nahm sie teil.

Diese unermessliche Erfahrung kommt ihr nun zugute. Zudem stammt sie aus einem Wintersportland mit trauriger Bewerber-Historie. Sechsmal hat sich Schweden vergeblich um die Spiele beworben. Sechsmal übrigens gab es in Schweden eine veritable Olympia-Opposition. Weshalb das Treffen mit bayerischen Olympiagegnern eine Selbstverständlichkeit ist für Lindberg. Sie hatte das bereits im Herbst angekündigt. „Von Zeitungsberichten allein lasse ich mich nicht beeinflussen.”


Am Donnerstag wird sie von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen. Alles hinter verschlossenen Türen. Die Kernfrage bei Olympiabewerbungen lautet stets: Wie wichtig ist der Evaluierungsbericht? Sind die technischen Kriterien ausschlaggebend oder sportpolitische Konstellationen? Lindbergs Team wird den Bericht Anfang Mai den IOC-Mitgliedern vorlegen. Wenn sich die Bewerber Mitte Mai in Lausanne auf einem geschlossenen Meeting im Olympischen Museum erneut präsentieren, kann jedes Mitglied auf Grundlage des Prüfberichts seine Fragen formulieren. „Der Bericht wird immer wichtiger”, sagt Lindberg, „denn wenn die falsche Stadt gewählt wird, könnten die Spiele ein Reinfall werden.”


Das will sie mit ihrer Arbeit verhindern. Und danach will sie wieder lachen – und plaudern.

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