Die Magerwahn-Debatte
Die Gewichtsprobleme, die Martin Schmitt und Ronny Ackermann zusetzen, zeigen nur, dass im Skispringen einiges im Argen ist.
MÜNCHEN Martin Schmitt hat sich zurückgezogen. Heim in den Schwarzwald. Pausieren, nicht mehr ans Skispringen denken. Und vielleicht auch etwas essen.
Offen wie nie hatte sich der 31-jährige Ex-Weltmeister über Gewichtsprobleme geäußert. Und damit die Diskussion um zu dünne Skispringer neu entfacht. Und auch Kombinierer Ronny Ackermann spürt die Folgen seiner Diät. Die Antworten zur Magerwahn-Debatte.
Was sagte Martin Schmitt?
„Dass ist nicht voll leistungsfähig bin, liegt auch daran, dass ich mit seit Jahren im Grenzbereich beim Gewicht bewege“, sagte Schmitt in „Bild“, und weiter: „Um mich wohl zu fühlen, müsste ich vier Kilo mehr wiegen.“
Fliegt man leicht weiter?
Ja, noch mehr als früher. „Durch V-Stil und neue Schanzenprofile ist es noch viel wichtiger, gute Flugeigenschaften und einen guten Absprung zu besitzen“, sagt Ex-Weltmeister Dieter Thoma zur AZ. „Das heißt, ein Körper, der schwerer ist, kommt auch eher wieder runter.“
Gibt es ein Gewichtslimit?
Ja. Nach dem Sieg von Sigurd Pettersen 2004 bei der Vierschanzentournee (er wog bei 1,80 Meter 56 Kilo) führte die FIS die Body Mass Index-Regel (BMI) ein, den Indikator von Verhältnis Größe zu Gewicht. 18,5 ohne Kleidung, 20 mit. Martin Schmitt (1,82 m, 63 Kilo) hat BMI 19, medizinisch bereits Untergewicht, aber: „Wenn ich dieses Gewicht nicht habe, dann springe ich nicht so weit“, sagt Schmitt. „Würde ich zwei, drei Kilo mehr wiegen, verliere ich fünf bis sechs Meter.“
Wie geht es Ronny Ackermann?
Er ist müde, geschwächt vom schweren Sturz im Sommer. Der 32-Jährige ist ein athletischer Typ, der Kraft benötigt fürs Langlaufen, aber dennoch auch Gewicht machen muss vor der Saison. Drei, vier Kilo, wie Bundestrainer Hermann Weinbuch der AZ bestätigte: „Auch wir versuchen ans Limit zu gehen und nicht zu schwer zu sein“, sagt Weinbuch. „In seinem Alter steckt man das aber nicht mehr so leicht weg.“
Wie geht es mit Schmitt weiter?
Fraglich, ob er für Olympia noch in Form kommt, sein Ziel ist noch die WM 2011. „Wie weit er sich das weiter antun will, muss er selbst entscheiden“, sagt Thoma.
Wie reagiert sein Bundestrainer?
Bei diesem Thema bemerkenswert dünnhäutig und gereizt. Erstaunlich, schließlich hatte er noch vor zwei Wochen eine Erhöhung des BMI gefordert. Als ihn die AZ zu Schmitts Aussagen befragen wollte, sprach er nur entnervt von den „Spuren des Spitzensports“ und der „harten Belastung für Körper und Geist.“ Weitere Nachfragen verbat er sich, er sagte, das sei „respektlos“, denn: „Ich habe alles, was es zu sagen gibt, am Montag in ’Blickpunkt Sport’ gesagt.“ Hat er freilich nicht, etwa zur Rolle der Ernährungswissenschaftler im Team und ob Alarmsignale nicht zu erkennen gewesen seien, dass weniger Essen auch zu weniger Kraft führt. Antworten blieb er schuldig. Die Hungerdebatte scheint allmählich für Schuster schwer verdaulich.
Florian Kinast
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