Die Lesben-Frage

Frankfurt - Viel mag Eucharia Uche meist nicht verraten. Nigerias Trainerin war zwar selbst eine vorzügliche Fußballerin, eine eloquente Vielrednerin wird die 38-Jährige nicht mehr. Auch vor dem zweiten Auftritt heute gegen Deutschland (20.45 Uhr, ARD live) presst die zweifache WM-Teilnehmerin meist nur schüchterne Sätze hervor, was auch an einem kräftigen Mann mit dunkler Brille liegt: Mohammed Sanusi, offiziell Verbandssekretär bei Nigerias Fußball-Verband (NFF), inoffiziell der Aufpasser.
Er hat mitbekommen, dass der nigerianische Frauenfußball in Deutschland gerade keine schönen Schlagzeilen macht, weil Eucharia Uche lesbische Spielerinnen aussortiert haben soll. Sie hat Homosexualität als „großes Problem“ ausgemacht. In der Heimat wird die zweifache Mutter so zitiert: „Manche Spielerinnen gingen sogar so weit, dass sie sich während unserer Trainingscamps Hotelzimmer anmieteten, um dort ihre Orgien zu feiern.“ Nun sei alles wieder in Ordnung: „Wir haben jetzt Spielerinnen, die Gottes Gebote befolgen. Sie wissen, dass Fußball ihnen Ruhm, Reichtum und Freude bringen kann. Im Gegensatz zum Lesbentum, das sie ruiniert.“ Dazu muss man wissen, dass Homosexualität in dem Vielvölkerstaat von der Gesellschaft abgelehnt wird. Eucharia Uche vertritt deshalb eine Mehrheitsmeinung; ihre Störenfriede fand sie unter Mithilfe eines Geistlichen, der mit dem Team betete, erzählte sie. Ihr These: Lesben würden Erfolge im Frauenfußball verhindern.
Fragt sich nur, wie dann deutsche Fußballerinnen ihre weltweite Dominanz erlangt haben. Es ist kein Geheimnis mehr, dass sich dort ein nicht unerheblicher Teil befindet, der die gleichgeschlechtliche Partnerschaft bevorzugt. Vor allem unter jenen neun (älteren) Spielerinnen, die zur Bundestrainerin Silvia Neid noch „Silv“ sagen dürfen. Von der Hochzeit der Ersatztorhüterin Ursula Holl mit ihrer Lebensgefährtin Carina entstanden 2010 sogar Bilder für die Öffentlichkeit. Dem Magazin „11 Freunde“ erklärte Holl, warum sie geheiratet habe: „Weil ich Carina liebe, weshalb denn sonst!" Geoutet hat sich auch ihre Keeper-Kollegin Nadine Angerer – als bisexuell. Dafür lieferte die 32-Jährige diese schlichte Begründung: „Ich bin offen, weil ich der Meinung bin, dass es nette Männer und nette Frauen gibt.“ Über die geringe Resonanz hat sie sich sogar gewundert. „Die Leute, die mich direkt angesprochen haben, kann ich an einer Hand abzählen, vielleicht drei – darunter ein 93 Jahre alter Opa, der das total toll fand.“
Doch es wird auch im deutschen Lager noch viel gemauert. Inka Grings wollte kürzlich beim Medientag in Frankfurt partout nicht mehr über Privatleben reden, das den Medien schon reichlich Stoff lieferte. Ihre einstige Liaison mit Mitspielerin Martina Voss endete im Streit, die Beziehung zur Vereinskameradin Linda Bresonik scheiterte vor sechs Jahren spektakulär, weil plötzlich eine schlagzeilenträchtige Dreiecksgeschichte mit dem Trainer Holger Fach herauskam. „Ich bin reifer und einsichtiger geworden“, sagt die 32-Jährige, „ansonsten ist das Vergangenheit und alles dazu gesagt.“ Wirklich?
Bei der Frauen-Nationalmannschaft spielte sich lange viel im Verborgen ab, wie Gero Bisanz, der erste Nationaltrainer weiß, der mitunter Mühe hatte, die aus den gegenseitigen Beziehungen resultierenden Spannungen aus dem Sport fernzuhalten. Rückblickend gesteht der 75-Jährige: „Ich habe meiner Assistentin Tina Theune-Meyer damals die klare Anweisung gegeben: ,Tina, besprich das mit den Frauen.’ Ich will auf den Zimmern nur die Spielerinnen sehen, die dort auch eingeteilt sind.“