Die Leiden des Tommy H.

Tennis-Star Tommy Haas sagt für Daviscup ab, weil die Schulter schmerzt. Jetzt droht ihm das München-Aus – und sogar das Ende seiner Karriere.  
von  Jörg Allmeroth

Tennis-Star Tommy Haas sagt für Daviscup ab, weil die Schulter schmerzt. Jetzt droht ihm das München-Aus – und sogar das Ende seiner Karriere.

Miami - Tommy Haas hat sich die Frage selbst gestellt. Die Frage, ob es sich lohne, immer wieder die Pillen zu nehmen, die den Schmerz unterdrücken, aber selbst eine Belastung für den Körper sind. Schließlich, so Haas, gebe es ja „auch noch ein Leben nach dem Tennis“. Ein Leben ohne den Druck, fit zu sein. Fit zu werden mit allen möglichen und manchmal auch bedenklichen Mitteln.
Es ist eine harte, eine schmerzhafte Saison für den Tennis-Altmeister. Für jenen Haas, der sich auf seine sehr späten Karrieretage zu einer weltweit geachteten Größe aufgeschwungen hatte, der zur Bedrohung für die Branchenriesen geworden war. Und der ganz nebenbei in diesem Sturm und Drang im werweißwievielten Frühling auch alle nationalen Konkurrenten deutlich distanziert hatte.

Doch wie es scheint, hat diese machtvolle Kampagne ihre Spuren hinterlassen. Zu Beginn des Jahres 2014 spürt der 35-Jährige diese Strapazen in seinem Körper. Die rechte Schulter, die ewige Krisenzone, tut wieder weh. Und zwar so bedrohlich, dass Haas seit Jahresstart mehrfach ein Match im laufenden Wettbewerb absagen musste.

An diesem Wochenende verzichtete er „schweren Herzens“ auf das Mitwirken beim Daviscup-Viertelfinale gegen Frankreich (ab 4. April) und akut auf die Teilnahme am Masters in Miami. Da er vergangenes Jahr dort das Halbfinale erreichte – wird der Weltranglisten-Dreizehnte auch in der Bestenliste abstürzen.

2014 ist eine Geschichte des Leidens für Haas. Bei den Australian Open gab er sein Erstrundenspiel gegen den Spanier Garcia-Lopez auf. Haas reiste angeschlagen nach Deutschland, spielte im Daviscup nur Doppel, als er beim Turnier Ende Februar in Sao Paulo ins Halbfinale vorstieß, musste er die Partie gegen Paolo Lorenzi (Italien) beim Stand von 3:6 und 2:3 abbrechen. Die Schmerzen in der Schulter, so Haas, „waren einfach übermächtig“.

Als Haas, dieser ewige Lazarus, unlängst nach seinem Achtelfinal-Aus in Indian Wells zu seinen Verletzungsproblemen gefragt wurde, sagte er, die Schulter sei eine „tickende Zeitbombe“. Er wisse, dass es „vorbei“ sei, wenn noch einmal ein Eingriff nötig würde – deshalb scheue er davor zurück, eine Kernspintomographie anfertigen zu lassen. Ärztlichen Rat nimmt Haas dann doch entgegen, und der war für Miami und die Daviscup-Woche klar: Die lädierte Schulter braucht Ruhe, Ruhe, Ruhe. „Dringend“ sei ihm zu einer Turnierabsage und Ruhephase geraten worden, so Haas.

Was das für seine Teilnahme an den BMW Open in München (ab 28. April) bedeutet, ist noch nicht klar. Am Aumeister war Haas als große Attraktion eingeplant. Sollte er ausfallen wäre das für die Veranstalter, die eh keinen einzigen Top-Ten-Spieler im Teilnehmerfeld präsentieren können, ein herber Schlag. „Er ist unser Zugpferd“, sagte Turnierdirektor Patrik Kühnen noch im AZ-Interview vom Wochenende. Keiner im Camp von Haas weiß, wie lange die Zwangspause nun dauern wird. Haas selbst auch nicht.

Doch mit der bitteren Auszeit rutscht Haas nicht nur in der Weltrangliste ab, es fehlt ihm schlichtweg auch jenes Grundvertrauen in den eigenen Körper, das er sich wieder mühsam aufgebaut hatte. Und das er noch vor rund zwölf Monaten einmal so beschrieben hatte: „Ich muss nicht jeden Moment in mich hineinhorchen und befürchten, dass wieder ein Problem da ist.“

Am 3. April wird Haas 36 Jahre, er wird den Geburtstag in einem Moment begehen, da er wieder einmal zur Untätigkeit verdammt ist – geschuldet einem Körper, der ihn schon oft genug in seiner Zeit als Tennis-Professional im Stich gelassen hat. Haas wird sich dieser Tage gewiss eine Frage stellen. Die Frage: Wie lange noch?

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