Die Klitschko-Brüder: Umgeben von Opfern

Wenn Wladimir und Vitali boxen, wissen die Fans schon vorher, wie es ausgeht: Sie gewinnen. Ist das langweilig oder gut so? Eine Debatte.
LOS ANGELES Üblicherweise ist es im Boxen so: Der eine ist der Weltmeister, der andere der Herausforderer. Doch wenn der Titelträger mit Nachnamen Klitschko heißt, dann ist beim jeweiligen Gegner die Bezeichnung „Herausforderer“ inzwischen eher unpassend geworden. Von einer echten Herausforderung konnte zuletzt keine Rede sein.
„Langsam hat man das Gefühl, das sind keine Kämpfe, sondern Auseinandersetzungen mit der klassischen Täter-Opfer-Konstellation. Die Klitschkos sind die Täter, ihre Herausforderer die Opfer“, sagte Ex-Weltmeister Chris Byrd zur AZ nach dem gnadenlos einseitigen Sieg, den Vitali Klitschko gegen Pflichtherausforderer Christobal Arreola gelandet hatte.
Byrd, fand sich selber bereits zwei Mal in dieser Opferrolle, als er von Wladimir Klitschko jeweils windelweich geprügelt wurde (2000 und 2006). Seinem Freund Arreola hat er vor gut einem Jahr ausgeredet, gegen Vitali anzutreten. „Ich war mir sicher, dass er keine Chance hatte. Jetzt war sich Chris sicher, dass er gewinnen kann. Eine große Fehleinschätzung.“
Eine, der auch all die anderen Gegner der Klitschko-Brüder erlagen. Wladimirs letzte Kontrahenten Hasim Rahman (Ex-Weltmeister) oder Ruslan Chagaev (Weltmeister) und Vitalis Rivalen Samuel Peter (Weltmeister), Juan Carlos Gomez (Pflichtherausforderer) und Arreola (Pflichtherausforderer): Alle hatten Mühe, überhaupt eine einzelne Runde zu gewinnen, vom Kampf ganz zu schweigen.
Die Zwei-Klassen-Box-Gesellschaft - Klitschkos und der Rest
Erschlagen die Klitschkos mit ihrer unglaublichen Dominanz das Schwergewichtsboxen? Die Zwei-Klassen-Boxgesellschaft war noch nie so extrem wie heute.
Axel Schulz, der drei Mal erfolglos um die WM boxte und auch zu Wladimirs Ringopfern zählt, sagt: „Die Überlegenheit beider Klitschkos ist zu krass, das gab es noch nie in der Box-Geschichte. Darunter leidet alles. Der Sport lebt von großen Duellen. Davon, dass sich Muhammad Ali und Joe Frazier bekriegt haben, dass Evander Holyfield und Mike Tyson aufeinander losgingen. Das fehlt heute total.“
Der einflussreiche US-Box-Promoter Bob Arum meinte: „Das Schwergewicht ist in den USA eigentlich tot. Die Klitschkos halten es etwas am Leben, aber dann knüppeln sie es wieder ins Nirwana, indem sie unsere Ami-Boxer vernichten.“
Noch krasser formuliert es Sven Ottke, Ex-Weltmeister im Supermittelgewicht: „Das Schwergewicht ist ein Totentanz. Die Klitschkos sind die letzten Überlebenden. Dann wird wieder ein Zombie als Gegner ausgegraben, den die beiden dann beerdigen. Ich gehe lieber golfen, als mir das anzuschauen.“
Klar ist: Es gibt kaum Gegner, die den Klitschkos gefährlich werden können. Da gibt es WBA-Champ Nikolai Walujew, das britische Großmaul David Haye, Olympiasieger Alexander Powetkin, Eddie Chambers, vielleicht noch Kevin Johnson. „Die Klitschkos sind die einzigen, die die Bezeichnung Champion verdienen“, sagt Wladimirs Coach, Trainer-Legende Emanuel Steward. „Aber was die guten alten Zeiten angeht, wird viel verklärt. Ali hatte viele schwache Gegner. Als Tyson dominierte, galt das Schwergewicht als das schlechteste aller Zeiten. Als Lennox Lewis alles gewann, sagte man, er boxe langweilig. Das heißt es jetzt auch über die Klitschkos. In zehn Jahren wird man sie als Größen des Boxens feiern.“
Matthias Kerber