Die Helden von 2010

MANNHEIM - Deutschland steht erstmals seit 1953 im WM-Halbfinale. Die Olympia-Heroen von 1976 verneigen sich in der AZ vor der Truppe
Es war eine schwarz-rot-goldene Jubeltraube, die sich über Keeper Dennis Endras hermachte und dem deutschen Nationalkeeper herzhaft-robuste Liebesbekundungen in Form von sanften Schlägen auf den behelmten Kopf verpasste. Der Torwart der Augsburg Panther war mit seinen 41 parierten Schüssen beim 1:0 im Viertelfinale gegen die Schweiz der Matchwinner.
Dann schnappte er sich eine überdimensionierte deutsche Fahne und führte damit zu den stehenden Ovationen der 12500 Zuschauer in der ausverkauften Mannheimer Arena die Jubelprozession an. „Das ist ein ganz besonderer Moment für jeden von uns“, sagte Bundestrainer Uwe Krupp mit Tränen in den Augen.
Erstmals seit der WM 1953 steht Deutschland damit wieder in einem Halbfinale. Doch damals waren überhaupt nur vier Mannschaften am Start und die Tschecheslowakei reiste aufgrund des Todes von Staatspräsident Klement Gottwald auch noch ab. Letztmals eine Medaille bei einem großen Turnier schaffte die Truppe um Deutschlands Eishockeyspieler des Jahrhunderts Erich Kühnhackl bei Olympia 1976 in Innsbruck. Damals aber fehlten mit Kanada und Schweden gleich zwei Topfavoriten. „Wenn ich jetzt sage, dass dieser Erfolg jetzt höher anzusiedeln ist, als Bronze in Innsbruck, dann bekomme ich Ärger mit meinen 76er-Kollegen“, sagte DEB-Sportdirektor Franz Reindl, der selbst Teil des 76er-Heldenteams war.
Doch auch die Eis-Heroen von damals ziehen vor dieser Truppe, die am Samstag (18 Uhr, sport1 live) in Köln gegen Russland um den Finaleinzug spielt, den Eishockey-Helm. „Für mich ist dieser Erfolg bereits mit dem Triumph von 1976 gleichzusetzen“, sagte etwa Alois Schloder der AZ, „die Jungs jetzt haben auch den gleichen Teamspirit, die gleiche Musketier-Mentalität wie wir damals. Nominell hatten wir bei Olympia im Februar in Vancouver die stärkste deutsche Mannschaft aller Zeiten, aber gerissen haben sie gar nichts. Die besten Spieler sind eben nicht die beste Mannschaft. Das hier, das ist die beste Mannschaft.“
Auch sein 76er-Kollege Lorenz Funk stimmt in die Jubelarie ein. „Wir waren die Helden von 1976, das hier sind die Helden von 2010. Das ist eine Mannschaft, die mit ihrem Kampfgeist Freude macht. Genau wie wir damals haben die vor keinem Angst.“
Einer der Furchtlosen von 1976, Erich Kühnhackl, outet sich ebenfalls als Fan der 2010er-Truppe. „Ich denke, man wird in 30 Jahren noch genau so von dieser Mannschaft sprechen, wie man jetzt noch vom Olympiateam von Innsbruck spricht. Uwe Krupp hat, genau wie damals unser Xaver Unsinn, es geschafft, eine echte Mannschaft zu formen. Sie stehen jetzt schon auf einer Stufe mit uns.“
Sie, die Helden von 2010, haben bereits Geschichte geschrieben, sie haben nach 34 Jahren das Eishockey in Deutschland wieder ins Rampenlicht gebracht. Allein das ist nach den Jahren des Vergessens, der Belanglosigkeit, eine Helden-Saga.