Die Exoten von der Hühnerleiter

In Neubiberg kämpfen die Militärischen Fünfkämpfer gerade um den WM-Titel: Ein Gespräch mit Bundestrainer Norbert Stracke (34) über Tische im Schwimmbad, tiefe Löwengruben und humorlose Chinesen.
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Beim Miltärischen Fünfkampf gibt es viele Hindernisse zu überwinden. Wie etwa diese Mauer.
Bundeswehr Beim Miltärischen Fünfkampf gibt es viele Hindernisse zu überwinden. Wie etwa diese Mauer.

In Neubiberg kämpfen die Militärischen Fünfkämpfer gerade um den WM-Titel: Ein Gespräch mit Bundestrainer Norbert Stracke (34) über Tische im Schwimmbad, tiefe Löwengruben und humorlose Chinesen.

Von Florian Kinast

AZ: So ein Militärischer Fünfkampf besteht ja aus teils recht sonderbaren Disziplinen. Herr Stracke, klären Sie uns doch bitte mal auf.

NORBERT STRACKE: Also, am ersten Tag ist Schießen. Erst Präzision, auf 300 Meter zehn Schuss in zehn Minuten, dann Schnellfeuer. Zehn Schuss, eine Minute.

Womit schießen Sie?

Mit Gewehren. Großkaliber, Einzellader. Muss man jedesmal repetieren. Wir schießen übrigens mit Tanner.

Tanner.

Ja. Sportgewehre. Früher haben wir mit Blaser geschossen. Jagdwaffen. Am zweiten Tag ist Hindernislauf. 500 Meter, 20 Hindernisse, DIN-genormt, die sind auf der ganzen Welt gleich. Hühnerleiter, Hürdenmauern, Kriechgang etwa. Oder die zwei Meter tiefe Löwengrube.

Aber ohne Löwen.

Natürlich. Dann Hindernisschwimmen im 50-Meter-Becken. Vier Hindernisse, am gefürchtetsten ist der Tisch, der 50 Zentimeter aus dem Wasser ragt. Da muss man drüber.

Ist ja lustig. Wer hat sich das eigentlich einfallen lassen?

Die Alliierten, 1946. Die Begründer des Militärischen Fünfkampfs. Damals haben sie in der vierten Disziplin, dem Werfen, auch noch Handgranaten geschmissen.

Oha.

Ja. Und mit Helm und voller Montur. Heute ist das anders. Wir haben handliche Eisenkörper. 575 Gramm schwer.

Und nicht geladen.

Nein, ganz ungefährlich. Schlussdisziplin ist der Crosslauf. Ein Jagdrennen, der Punkterückstand nach dem Werfen wird in Sekunden umgerechnet, der Führende läuft als Erster los. Der Erste im Ziel ist Gesamtsieger.

Und wer sind die Sportler?

Zeitsoldaten aus der Sportfördergruppe. Meistens kommen sie durch Zufall dazu. Ist ja schon exotisch, das ganze.

Wie viele Militärische Fünfkämpfer gibt es im Land?

Acht. Mit mir neun.

Nicht so viel.

Nein. Woanders hat es mehr. China etwa. Meine erste WM war 1998 in Peking, da hatten die Chinesen schon einen A-Kader von 500 Mann. Und einen B-Kader mit 1500. Hier unvorstellbar. Wenn sich bei denen einer verletzt, dann kommt halt der nächste dran.

In Chinas Militär geht es aber auch anders zu als bei uns.

Davon können Sie ausgehen. Da wird befohlen, da wird pariert. Punkt. Dieser Drill ist sicher auch ein Grund, warum sie so erfolgreich und Weltmeister sind.

Warum schlagen Sie die Chinesen dann nicht mit ihren eigenen Waffen und drillen Ihr Team genauso?

Ich bin eher tolerant, ich strebe das Lässige an. Außerdem, bei so einem kleinen Team, da kann ich mit den Athleten nicht umgehen wie mit Hunden. Autorität wäre gar nicht effektiv. Bei den Chinesen und der Masse schon.

Und bei den Nordkoreanern wohl auch. Sind auch sicher auch nicht ganz so entspannt.

Nein. Bei so einer WM ist es ja so, dass man da immer auch eine Sightseeing-Tour macht mit allen Nationen, einen Ausflug zum Kennenlernen. Und was meinen Sie, wer da immer eisern in der Kaserne blieb und nicht mitfuhr?

Chinesen und Nordkoreaner.

Ganz genau. Oder, was ich auch schon erlebt habe, da hat es eine chinesische Sportlerin auf einer Abschlussfeier mal gewagt zu tanzen. Später habe ich gehört, dass sie bestraft und sanktioniert worden ist.

Wie humorlos.

Schon. Inzwischen werden die Chinesen aber auch immer lockerer. Die reden auch mit Händen und Füßen. Man merkt, die wollen sich auch gerne öffnen und sich nicht mehr so isolieren.

Völlig isoliert von der Welt ist aber eben immer noch Nordkorea. Ein Land mit einem irren Diktator, bizarren Armee-Paraden und einem provokanten Atomprogramm. Im Ernstfall wäre dieses Land der Feind. Wie ist das Verhältnis zu den Sportsoldaten?

Distanziert. Da ist schon Rivalität da. Sportlich würde ich sagen, zwischen uns und Nordkorea ist es wie zwischen Bayern und Sechzig. Auffallend ist, dass die ja nur eine Mannschaft schicken, wenn sie auch Weltmeister werden können. Wenn die keine Chance hätten, dann würde sie die Führung gleich daheim lassen.

Da dient der Sport mal wieder als politisches Instrument, um zu zeigen, wie stark das Militär ist.

Bei den Vereinigten Arabischen Emiraten ist das ähnlich. Sind jetzt das erste Mal dabei. Da gibt es von der Führung schon Geld, wenn einer unter die ersten Drei kommt.

Bei Ihnen gibt es nichts?

Nein, keinen Cent. Darum machen wir es auch nicht. Ich freue mich einfach auf spannende Tage mit fairem Sport mit gesundem Ehrgeiz. Und auf das Sightseeing in München, bin ich schon gespannt.

Auf die Sehenswürdigkeiten?

Nein. Ob die Chinesen und Koreaner diesmal mitfahren.

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