Die „Drecksäcke“ im Boom-Sport

PYEONGCHANG - „Spitze des Eisbergs“: Mit Beginn der WM erschüttert der Betrug der Russen das Biathlon.
Auch Kati Wilhelm war geschockt und wütend zugleich. Am Freitag in Pyeongchang, am Tag vor Beginn der WM. Am Tag, als der größte Skandal in der Biathlon-Geschichte perfekt war.
Albina Achatowa (32), Olympiasiegerin, viermal Weltmeisterin. Jekaterina Jurjewa (25) Weltmeisterin 2008. Dimitri Jaroschenko (32), zweifacher Weltmeister. Drei russische Biathleten aus der Weltspitze, die nun nach dem Öffnen der B-Probe als Betrüger entlarvt sind und für die WM gesperrt wurden.
„Ich bin menschlich tief enttäuscht“, sagte Kati Wilhelm, „ich habe Jurjewa schon öfter die Hand geschüttelt und ihr zum Sieg gratuliert. Dass die mir in die Augen schauen konnte, begreife ich nicht.“
Am Freitag schauten Jurjewa, Achatowa und Jaroschenko keinem Konkurrenten mehr in die Augen. Sie reisten blitzartig ab. „Sie werden sich in Moskau verantworten“, sagte der russische Trainer Wladimir Ailikin. Von Dreistigkeit mutet es an, dass die drei Russen noch ihre Unschuld beteuerten und von Fehlern der Ärzte sprachen. Schließlich hatten sich alle drei mit einem weiterentwickelten Epo-Präparat vollgepumpt.
Erleichtert reagierte Michael Rösch auf die Kunde: „Die Drecksäcke sind erwischt – schön!“, sagte er, während Olympiasieger Michael Greis skeptisch anmerkte: „Ich hoffe nur, dass die anderen Russen sauber sind. Mal sehen, was die nächsten Tage bringen.“ Und Bundestrainer Frank Ullrich meinte gar: „Man muss darüber nachdenken, Russlands Mannschaft zu sperren.“
Tatsächlich sprach auch Anders Besseberg, Präsident des Weltverbands IBU, klare Worte: „Wir haben es mit systematischem Doping in großem Umfang zu tun und müssen klären, ob das nur die Spitze des Eisbergs ist.“ Bisher hatte der Schwede gerne abgewiegelt, auch der Dopingskandal um Olga Pylewa bei Olympia 2006 wurde nie aufgearbeitet. Pylewa läuft in Korea wieder mit, nach der Heirat mit ihrem Trainer unter dem Namen Medwedzewa.
Bis Mitte März will die IBU das Strafmaß gegen das Trio verkünden. „Mit zwei Jahren ist es nicht getan“, meinte Wolfgang Pichler, der Trainer Schwedens. Schweden kündigte auch als erste Nation an, das Weltcup-Finale im sibirischen Chanty-Mansisk Ende März zu boykottieren. Das Biathlon, dieser Boom-Sport, steht vor der größten Zerreißprobe seiner Geschichte.