Die Brüder Altintop: "He, willst du gegen mich spielen?"
Einst drohte der Fußball die Zwillinge Hamit und Halil Altintop zu spalten. Wie es dazu kam und wieso Halil bei der EM im Kader der Türkei fehlt.
Nein, eine typisch türkische Familie in Deutschland sind sie wahrlich nicht. Im Haus der Altintops, einem von den erfolgreich kickenden Söhnen Hamit und Halil gekauften in Gelsenkirchen, ist Mutter Meyrem die uneingeschränkte Chefin. Und für Fußball, das erzählt Bayern-Star Hamit (25) immer wieder, interessiert sich die mittlerweile 60-Jährige – im Gegensatz zu Millionen von Türken – auch nur, weil ihre beiden Jüngsten damit so erfolgreich sind. So wird sie auch am Mittwoch in Basel nicht im Stadion sein, wenn Hamit mit der Türkei gegen Deutschland um den Einzug ins EM-Finale spielt (20.45 Uhr, ZDF live). Geradezu ein Treppenwitz, dass der Name Altintop auf deutsch nichts anderes bedeutet als „Goldener Ball“.
Die Familienbande bei den Goldenen Bällen sind jedenfalls eng. Kein Wunder, musste Mutter Meyrem doch nach dem Tod des Vaters vor 23 Jahren ihre fünf Kinder – die Zwillinge haben drei ältere Schwestern – allein groß ziehen, arbeitete hierfür in einer Metallfabrik. Und alle sind sie ihr dafür dankbar. Hamit ruft die Mama täglich mehrfach an. „Meine Mutter kam 1972 nach Deutschland (aus Malatya in Anatolien, d.Red ), sie hatte nie eine Schule besucht, konnte nicht lesen und schreiben“, erzählte Hamit, „trotzdem hat sie es geschafft, uns so großzuziehen, dass wir mit jedem respektvoll umgehen.“
Und auch, dass ihre beiden Jungs absolut unzertrennlich sind. Täglich rufe er Halil an, hat Hamit erst gestern wieder im türkischen Mannschaftsquartier in Wien erklärt. Denn Nationaltrainer Fatih Terim hatte den zehn Minuten älteren der beiden Zwillinge nicht für die EM berücksichtigt. „Es ist sehr schade, gerade jetzt, da wir so viele Verletzungssorgen im Sturm haben und Halil die deutsche Mannschaft so gut kennt“, sagte der Bayern-Star. Eine Begründung für Terims Verzicht hat der Mittelfeldstar auch parat: „Es gab da einen Wackelkontakt in einem Verbindungskabel zwischen ihm, dem Team und dem Trainer. Deshalb konnte Halil seine Leistung nicht hundertprozentig abrufen.“
Womit er ein uraltes Problem des nur optisch so ähnlichen Duos ansprach. Halil nämlich gilt als der deutsche der beiden Brüder. Einst fühlte er sich in der türkischen U 17 derart unwohl, dass er überlegte, für Deutschland zu spielen. Schließlich sind beide in Gelsenkirchen geboren. Hamit jedoch hat ihn überzeugt, für die Türkei anzutreten: „Ich habe ihn gefragt: ,He, willst du gegen mich spielen?’“ Jetzt spielt Hamit mit der Türkei gegen Deutschland – und Halil urlaubt in Dubai.
Türkei? Deutschland? Zu Hause sind beide ohnehin im Ruhrpott. Auch wenn Hamit mittlerweile allein in München lebt, sein Zimmer habe er in jenem Haus, in dem Halil und Mama Meyrem leben, immer noch. In Gelsenkirchen.
Jochen Schlosser
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